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Kulturhauptstadt, Gemeindewohnungen, Privatisierungen

Interview der Zeitung UZ mit Franz Stephan Parteder

UZ: Die KPÖ Graz ist bei den letzten Kommunalwahlen (2003) mit einem sensationellen Stimmenanteil von 21 Prozent in den Grazer Stadtrat eingezogen. Welche Themen haben den Wahlkampf bestimmt und mit welchen Schwerpunkt-Forderungen sind die Kommunisten angetreten?

Franz Parteder: Der Erfolg im Jahr 2003 war das Ergebnis einer jahrelangen Aufbauarbeit, wobei die Person des Spitzenkandidaten Ernest Kaltenegger und eine umsichtige Themensetzung zusammengewirkt haben. Die KPÖ hat dadurch in der Steiermark Namen und Gesicht bekommen. Besonders wichtig war es, sich nicht auf viele Bereiche zu verzetteln, sondern das Thema Wohnen immer wieder im Mittelpunkt unseres Auftretens zu haben. Wir sind im Wahlkampf für die Rechte der MieterInnen aufgetreten, haben uns gegen den Verkauf des Energiebereiches der Grazer Stadtwerke gewendet und haben unsere soziale Haltung mit der Losung "Helfen statt reden" versinnbildlicht. Damit haben wir auch darauf angespielt, dass KPÖ-MandatarInnen einen Großteil ihrer Einkünfte aus der politischen Arbeit für soziale Zwecke spenden.

UZ: Die Erwartungen der Wählerinnen und Wähler an eine vernünftige Interessenvertretung durch die KPÖ sind nun sicher gestiegen. Entwickelt sich in Graz auch ein Bewusstsein dafür, dass zur Durchsetzung von Interessen nicht nur eine starke Opposition im Rat, sondern auch breite Bürgerbewegungen notwendig sind?

Franz Parteder: Schon unser Wahlerfolg in Graz wäre ohne Aktionen, die wir gemeinsam mit vielen BürgerInnen durchgeführt haben, nicht möglich gewesen. Wir haben mehr als 10 000 Unterschriften für eine Begrenzung der Mieten gesammelt, uns sehr aktiv an Bürgerbewegungen gegen die Privatisierung der Stadtwerke und gegen den drohenden Verkauf der Gemeindewohnungen beteiligt. Die Bevölkerung in Graz weiß, dass unsere AktivistInnen nicht nur im Rathaus, sondern sehr oft auch auf der Straße anzutreffen sind. Wir sind - auch in Fragen des Altstadtschutzes, des Verkehrs und der Raumplanung - zu einer wichtigen Ansprechpartnerin für Bürgerinitiativen geworden. Selbstverständlich nehmen wir auch an allen Aktionen der Friedensbewegung teil. Was in Österreich aber bisher fehlt, das sind kämpferische Aktionen der Werktätigen gegen den Sozialabbau. Hier haben wir ein Manko.

UZ: Wie wirkt sich der kulturelle Kahlschlag im Zeitalter des Neoliberalismus, den es allerorten gibt, auf eure Stadt aus? Welche Gegenaktivitäten gibt es von der KPÖ und von Bürgern in Graz?

Franz Parteder: Vor allem unabhängige Kulturinitiativen und freie Theatergruppen spüren diese Einschränkung, die in Graz durch die Folgekosten des Kulturhauptstadtjahres noch verschärft werden. Wir haben gute Kontakte mit fortschrittlichen Künstlern und arbeiten mit ihnen zusammen, wobei wir sehr auf ihre Unabhängigkeit achten. Seit dem Einzug der KPÖ in den steiermärkischen Landtag 2005 können wir einige Initiativen auch direkt fördern (Lesungen, Konzerte, etc.). Das jährliche Volkshausfest der KPÖ bietet Auftrittsmöglichkeiten in Graz. Insgesamt ist aber ein Zustand nicht befriedigend, bei dem es in der Innenstadt weit mehr Geldautomaten als Proberäume für unabhängige Gruppen gibt.

UZ: Im Jahr 2003 wurde Graz zur österreichischen Kulturhauptstadt gekürt. Die KPÖ hatte bereits im Vorfeld mit einem sehr breit angelegten Kulturverständnis für viel Bewegung gesorgt. Kannst du uns das kurz schildern?

Franz Parteder: "Auch das ist Kultur: Ein Bad für jede Gemeindewohnung" Mit dieser Losung lässt sich unser Auftreten anlässlich des Kulturhauptstadtjahrs zusammenfassen. Neben unserer prinzipiellen Kritik an der Eventpolitik und der Verschleuderung von Steuergeldern hatten wir auch folgenden Vorschlag: Wir bezeichneten es als eine Schande für die Kulturhauptstadt Europas, dass Hunderte Gemeindewohnungen in Graz noch immer nicht mit zeitgemäßen sanitären Einrichtungen ausgestattet waren. Dem damaligen Wohnungsstadtrat Ernest Kaltenegger ist es gelungen unsere Initiative "Ein Bad für jede Gemeindewohnung" zu einem Bestandteil des offiziellen Programms der Kulturhauptstadt zu machen. Es hat schließlich sogar Werbegeschenke gegeben, die darauf hingewiesen haben.

UZ: Flächendeckend gibt es in Deutschland die Tendenz der Privatisierung von öffentlichen Betrieben, kommunalen Einrichtungen - kurzum, der Zerstörung der Öffentlichen Daseinsvorsorge. Wie sind eure Erfahrungen damit in Graz bzw. in Österreich allgemein? Wie ist eure Position dazu?

Franz Parteder: Mit der steirischen KPÖ ist eine Privatisierung von öffentlichem Eigentum nicht zu machen. Das mussten nach der Gemeinderatswahl 2005 auch unsere Verhandlungspartner von SPÖ und Grünen im Rathaus zur Kenntnis nehmen. Eine Übereinkunft mit diesen Parteien ist letztlich daran gescheitert, dass die Sozialdemokraten keine Garantie gegen die Privatisierung abgeben konnten. Wir wenden uns entschieden gegen den Verkauf der städtischen Gemeindewohnungen. Durch unsere Initiativen haben wir es bisher verhindert, dass die Gemeinde Graz ihre Budgetnot durch den Verkauf dieser Wohnungen lindern konnte. Diese Position ist für uns nicht verhandelbar und wir spüren dafür einen größeren Rückhalt in der Bevölkerung als noch vor einigen Jahren.

UZ: Am Rande des Kulturforums im Mai wurde das Bedürfnis artikuliert, dass die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen KPÖ und DKP - zumindest im süddeutschen Raum - ausgebaut werden sollte. Welche Ansatzpunkte siehst du dafür?

Franz Parteder: Wir haben großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit der DKP - und zwar auf allen Ebenen. Dabei geht es uns nicht so sehr um Parteidiplomatie alten Stils, wo man aus den Kommuniqués herauslesen musste, ob das Verhältnis normal Übereinstimmung in allen behandelten Fragen) oder gespannt (kameradschaftliche und offene Gespräche) war, sondern um konkreten Erfahrungsaustausch. Durch die Vorgaben der EU sind viele praktische Probleme im kommunalen Bereich in unseren beiden Ländern mittlerweile sehr ähnlich geworden (Nahverkehrsrichtlinie, Vergaberichtlinie), deshalb sind wir sehr an Gesprächen interessiert. Ein erstes konkretes Beispiel betrifft allerdings nicht den süddeutschen Raum. Da Essen im Jahr 2010 europäische Kulturhauptstadt wird, haben wir mit den dortigen Genossen vereinbart, dass wir ihnen unsere Erfahrungen aus dem Jahr 2003 vermitteln.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Teilnahme am Nürnberger Kulturforum für mich sehr wichtig war. Eine derart umfassende Beschäftigung mit ästhetischen und kulturpolitischen Fragen ist derzeit in unserer Partei nicht möglich, weil bei uns "Kaliber" wie Werner Seppmann, Kai Degenhardt oder Manfred Wekwerth fehlen. Ich habe aus Nürnberg einige Anregungen für unsere Arbeit in der Steiermark mitgenommen.

Mit Franz Parteder sprach
Werner Lutz
(Aus UZ, Wochenzeitung der DKP vom 14. 7. 06)

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13. Juli 2006