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Die andere Geschichte des 1. Weltkriegs

Tagung von Alfred Klahr Gesellschaft und KPÖ-Bildungsverein

Am Wochenende standen die lange Zeit vergessenen, verdrängten und verschwiegenen Themen des Wesens, der Formen und Folgen des kriegsabsolutistischen Regimes der Habsburger im 1. Weltkrieg im Mittelpunkt einer Tagung in Graz.

Die andere Geschichte des Habsburger-Reiches im Ersten Weltkrieg

Der 100. Jahrestag der Entfesselung des Ersten Weltkriegs hatte in diesem Jahr auch in Österreich eine Hochflut an Publikationen, Fernsehsendungen und wissenschaftlichen Veranstaltungen zur Folge. Noch immer harren aber wesentliche Bestandteile der inneren Geschichte der Habsburger-Monarchie in den Jahren 1914 bis 1918 der Aufhellung. Dies gilt vor allem für das Wesen, die Formen und die Folgen des kriegsabsolutistischen Regimes, für die Rolle der Militärjustiz und für die Verfolgung der als „politisch unzuverlässig“ eingestuften Völkerschaften des Reiches.
Am Wochenende standen diese lange Zeit vergessenen, verdrängten und verschwiegenen Themen im Mittelpunkt eines von der Alfred Klahr Gesellschaft gemeinsam mit dem Bildungsverein der KPÖ Steiermark ausgerichteten Symposiums, das im KPÖ-Bildungszentrum im Volkshaus Graz stattfand.

Eröffnet wurde die Konferenz am Freitag, dem 14. November, mit einer abendlichen Podiumsdiskussion, in deren Rahmen namhafte ExpertInnen eine Forschungsbilanz zum Thema „100 Jahre Erster Weltkrieg“ erörterten. Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann (Alfred Klahr Gesellschaft) polemisierte im Rahmen seines Statements gegen die vielrezipierte Studie „Die Schlafwandler“ des australischen Historikers Christopher Clark, die 2014 bereits in 16. Auflage erschien. Hautmann wies dabei Clarks These vom „Hineinschlittern“ der europäischen Mächte in den Krieg als Verschleierung der in der monopolkapitalistischen Ökonomik wurzelnden imperialistischen Expansions- und Kriegspolitik zurück. Dr. Heidrun Zettelbauer (Universität Graz) bilanzierte den bisherigen Forschungsstand mit dem Blickwinkel auf Frauen- und Geschlechtergeschichte. Dr. Anton Holzer (Wien), der bereits einige Bildbände über den Ersten Weltkrieg veröffentlicht hat, betonte auch in seinen Ausführungen die Bedeutung von Fotos als historischer Quelle. Univ.-Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner (Universität Wien) wiederum resümierte das Weltkriegsgedenken vor dem Hintergrund seiner eigenen, im Vorjahr neu aufgelegten monumentalen Geschichte des Habsburger-Reichs im Ersten Weltkrieg.

Tags darauf, am Samstag, den 15. November, standen im Verlauf einer ganztägigen wissenschaftlichen Tagung unterschiedliche Aspekte der Kriegsdiktatur in Österreich im Mittelpunkt des Interesses. Es wurden dabei auch solche Fragen behandelt, die im Krieg zur Verschärfung der gesellschaftlichen Konflikte beitrugen und letztlich den Zusammenbruch der imperialistischen Großmacht Österreich-Ungarn bewirkten.

Im einleitenden Vortrag leistete Hans Hautmann einen Überblick über die österreichischen Staatsverbrechen im Ersten Weltkrieg, die trotz ihrer Brutalität und Tragweite im öffentlichen Bewusstsein heute kaum verankert sind.
Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer portraitierte mit Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf einen der zentralen österreichischen Kriegstreiber und beleuchtete im Rahmen seines Vortrags auch die Hötzendorf-Rezeption bis in die jüngere Vergangenheit herauf.
Heidrun Zettelbauer knüpfte an ihre Erörterungen vom Vorabend mit einem Referat über weibliche Handlungsspielräume in der Kriegsfürsorge an.
Dr. Christian Promitzer (Universität Graz) wiederum informierte über die K.u.K.-Militärverwaltung in Montenegro. Abschließend folgten Vorträge von Nicole-Melanie Goll über das Zivilinterniertenlager Graz/Thalerhof, in das vor allem Angehörige der Volksgruppe der Ruthenen deportiert wurden, und von Dr. Simon Loidl (Wien) über den Matrosenaufstand von Cattaro im Februar 1918 und seine literarischen Nachwirkungen.
In seinen abschließenden Worten unterstrich Ernest Kaltenegger (Bildungsverein der KPÖ Steiermark) die Notwendigkeit, jene Fragen aufzugreifen, die im herrschenden Geschichtsbewusstsein aus nachvollziehbaren ideologischen Gründen eine untergeordnete Rolle spielen. Zuletzt wies er auf die Tatsache hin, dass die Erfahrungen der arbeitenden Menschen mit dem Kriegszustand eine Welle von Klassenkämpfen zur Folge hatten, die zur Beseitigung der Habsburger-Monarchie im November 1918 führten. Ein Aspekt dieses revolutionären Aufschwungs war die Gründung der KPÖ am 3. November 1918.

18. November 2014