Hoffnungslos, aber nicht ernst

Eine Rund- und Nabelschau nach den Nationalratswahlen von Georg Fuchs und Hanno Wisiak

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Für fast die Hälfte aller von der SPÖ abgewanderten ProtestwählerInnen war der Pflegeregress das wichtigste Argument. Über 18.000 Unterschriften sammelte die steirische KPÖ dagegen.

Die Wunden der einen sind geleckt, die Partyspuren der anderen beseitigt, die Wahltoto-Gewinne ausgezahlt und die „Sondierungsgespräche“ eröffnet. Post-Wahl-Normalität quasi.

Noch ist die Lage hoffnungslos, aber nicht ernst: Rot-Schwarz hat trotz historisch miserabler Ergebnisse eine Mehrheit. Zugewinne für Blau, aber nicht dramatisch. Frank hat sich eine Legislaturperiode mit demokratischer Legitimation gekauft. Orange fliegt raus, Magenta rein. Und Grün kommt nicht richtig vom Fleck.

Was sich nach dieser Wahl ändern wird? Wahrscheinlich nichts Entscheidendes. Ins Haus steht uns eine rot-schwarze Koalition, in der die SP angesichts des – unwahrscheinlichen, da sich das Kapital in Krisenzeiten lieber auf bewährte, berechenbare Befehlsempfänger stützt – Bedrohungsszenarios von Schwarz-Blau-Stronach bzw. -NEOS noch weiter in die Knie geht. Weil die Sozialdemokratie sich weiter von ihren Grundsätzen und WählerInnen entfernt, ist vorprogrammiert, dass Rot-Schwarz 2018 unter die Fünfzig-Prozent-Marke fällt. Jetzt blüht uns unter der Voraussetzung, dass nicht eine auf SPÖ und ÖVP maßgeschneiderte Wahlrechtsreform für eine Konservierung der Verhältnisse sorgt, die vermutlich letzte rot-schwarze Koalition, die ohne eine dritte Partei auskommt. Sie wird dafür sorgen, dass die FP das nächste Mal tatsächlich im Rennen um Platz eins vorne dabei ist.

 

FP in der Steiermark auf Platz eins

Sicher waren es nicht nur die Gemeindezusammenlegungen, die für das Katastrophenergebnis für SPÖ und ÖVP verantwortlich sind. Es sind auch die hohen Kindergartengebühren, der Regress, die EStAG-Tarifpolitik, die Kürzungen bei Menschen mit Behinderungen, im Bildungs- und Kulturbereich, die Schließungen von Schulen und Spitälern, der Versuch, das zweitgrößte Krankenhaus des Landes zu privatisieren...

Dass die FP in der Steiermark die große Nutznießerin des reformpartnerschaftlichen Kahlschlags und die von ArbeiterInnen auf häufigsten gewählte Partei ist, braucht nicht zu verwundern oder gar Anlass zu Panik zu geben. Ebenso bewusst wie geschickt hat sich die FP in Inseraten auf Pensionen konzentriert, ein „Einkommen zum Auskommen“ gefordert und suggeriert, dass eine blaue Stimme die soziale Sicherheit der Kreisky-Ära wieder herbeizaubern könnte. Abgesehen von der Reduktion der Nächstenliebe auf nicht näher definierte „Österreicher“ haben sie überwiegend soziale Themen transportiert, die traditionell „linken“ Parteien zugeschrieben werden.

Die FP gebetsmühlenartig als rassistisch und rechtsextrem – ja, das ist sie – zu entlarven, nutzt nichts. Man muss sie in sozialen Fragen demaskieren!

Denjenigen, die den Freiheitlichen auf den Leim gegangen sind, muss man ein besseres Angebot machen. Bei den Gemeinderatswahlen in Graz und der Obersteiermark sieht man, dass das funktioniert. Sie aber samt und sonders als Nazis zu verdammen, führt nur zu einer reflexartig engeren Bindung an diese Partei. Quasi „jetzt erst recht!“ Von diesem Sie-sind-gegen-ihn-weil-er-für-euch-ist-Image profitiert Strache ja.

Bundesweit gewinnt die FP zwar nicht wenig, aber auch nicht erdrutschartig. Das „dritte Lager“ kommt in Summe sogar auf weniger Stimmen und Prozente, als Strache-FP und Haider-BZÖ 2008 erhalten haben. Nach Auszählung der Wahlkarten schrumpfte der FPÖ-Sieg deutlich, zwei Mandate wandern zu den Grünen. Was auf den ersten Blick für viele wie eine gute Nachricht aussieht, ist nur bedingt Grund zur Freude: Nun können sich SPÖ und ÖVP wieder auf die Stimmen der Grünen stützen, wenn Entscheidungen wie der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) anstehen. Unter dem Vorwand, „nationalem Egoismus“ eine Absage zu erteilen, hat sich die Grüne Partei zu einer verlässlichen Vertreterin von Kapitalinteressen (nicht nur) auf EU-Ebene entwickelt.

 

Neues, marktradikales Lager

Gestärkt wurde das neoliberale Lager. War dieser Kettenhund des – immer als Lohnnebenkostensenkung getarnten – Sozialabbaus früher noch in der bündischen Struktur der ÖVP im Zaum gehalten, ist er nun entfesselt. Und das in gleich zwei Parteien: einer schrulligen und einer poppigen: Stronach, der sich sein „Team“ wie einen Reitstall zusammengekauft hat und die sich größtenteils aus marktradikalen Ex-ÖVPlern rekrutierenden NEOS mit einem manischen Esoteriker an der Spitze.

Beide, Stronach wie NEOS, werden die ÖVP – und mittelbar die wahrscheinlich mit ihr koalierende SPÖ – weiter nach rechts ziehen. Banken- und Euro-Rettungspakete werden ein Übriges tun und ebenso Triebkraft sein wie als Rechtfertigung für Maßnahmen fungieren, die die Arbeiterschaft weiter von der SPÖ weg und – mangels Alternativen – leider in die Hände der FP treiben werden.

 

Nabelschau

Die KPÖ erreicht bundesweit das beste Ergebnis seit 1975, in Graz seit 1962. In den Arbeiterbezirken in Graz haben wir Ergebnisse, die weit über unseren Erwartungen gelegen sind: Gries 5,92%, Jakomini 4,93%, Lend 4,63%. Elke Kahr erhielt in Graz 1.298 Vorzugsstimmen. Das ist knapp ein Viertel aller Grazer KPÖ-WählerInnen. Auch in unseren Hochburgen in den obersteirischen Industriegemeinden haben wir durchwegs positive Ergebnisse erzielt: Eisenerz 4,89%, Knittelfeld 4,01%, Trofaiach 3,97%, Leoben 3,81, Mürzzuschlag 3,03%, Kapfenberg 2,97%, Bruck an der Mur 2,89%.

Wichtig ist, das große Wechselpotenzial in eine progressive Richtung zu lenken. Dass die Leute bei einer Nationalratswahl lieber eine Partei wählen, die auch im Ergebnis aufscheint, ist nicht ganz unverständlich. Mehr Mittel einzusetzen, hätte vielleicht ein besseres Ergebnis gebracht, aber selbst eine Verdoppelung in der Steiermark hätte die KPÖ nicht aus dem „Sonstige“-Balken wandern lassen.

Das Abschneiden der steirischen KPÖ darf dennoch zuversichtlich stimmen. Die Ausgangslage für einen Erfolg bei den Arbeiterkammerwahlen im kommenden Frühjahr ist eine gute: AK-Rat Kurt Luttenberger hat 578 Vorzugsstimmen erhalten. Die überdurchschnittlichen Zuwächse in den Städten, in denen wir in den Gemeinderäten vertreten sind, können für die Gemeinderatswahlen im Frühjahr 2015 zuversichtlich stimmen. Und ein gutes Abschneiden dabei ist schließlich die Basis für die Landtagswahl im Herbst 2015, bei der es darum gehen wird, zu zeigen, wer tatsächlich die soziale Alternative im Land ist.

Es zeigt sich auch, wie dringend nötig eine bundesweit handlungsfähige Kommunistische Partei ist. Von elitären Zirkeln geführte Debatten über Residenzbürgerschaften und ein Bedingungsloses Grundeinkommen sind fehl am Platz. Es braucht eine Partei mit Gebrauchswert im täglichen Leben. Es braucht klare, nachvollziehbare Antworten bei zentralen Fragen wie etwa Wohnen und Teuerung. Und es braucht klare grundsätzliche Haltungen: Ja zu öffentlichem Eigentum! Nein zur EU! Und ja zu einem Einkommen, von dem man leben kann.

Veröffentlicht: 8. Oktober 2013