Parteder: Bawag-Skandal, ÖGB und die steirische KPÖ

Interview mit der Tageszeitung Junge Welt (20.5.06)

Die österreichische Bank BAWAG befindet sich im Gewerkschaftsbesitz und verspielt ihre Gelder im Casino-Kapitalismus. Was ist die Moral von der Geschichte?

Als Gründungspartei des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) kann uns Kommunisten dieser Skandal nicht kaltlassen. Trotz meines Zorns muß ich aber nüchtern feststellen, daß wir hier einen handfesten Beweis für die Symbiose der ehemals reformistischen Teile der Arbeiterbewegung mit dem kapitalistischen System haben. Die Spitzen der Sozialpartnerschaft haben kein Problem darin gesehen, im Casino-Kapitalismus mitzuspielen, und sie haben verloren. Gesellschaftlich gesehen sind aber die arbeitenden Menschen die Verlierer, weil es nach diesem Desaster für die bestimmenden Kräfte in unserem Land noch leichter wird, ihre Klasseninteressen durchzusetzen.

Ist die hinter der Gründung der BAWAG stehende Idee, die Interessen der kleinen Sparer wahrzunehmen, heute überhaupt noch realisierbar?

Sie wäre es in dem Maße, wie genossenschaftliche Ideen in einem kapitalistischen System realisierbar sind. Es spricht nichts dagegen, wenn fortschrittliche Kräfte Kooperativen gründen. Sobald sie aber als große Spieler einsteigen wollen, muß dies langfristig schief-gehen. es kommt entweder zu einem Verrat an der Grundidee oder zum Scheitern des Projekts. Sozialistische Inseln im Imperialismus kann es nicht geben.

Was sagen Sie zum geplanten Verkauf der BAWAG?

Ich halte den Verkauf der gewerkschaftseigenen Bank für falsch. Der Beschluß hat völliges Unverständnis unter den Kollegen hervorgerufen. Er sollte rückgängig gemacht und die Verursacher des Karibik-Debakels sollten auch mit ihrem Privatvermögen zur Verantwortung gezogen werden. Die ÖGB-Spitze handelt jetzt wie seinerzeit das letzte SED-Politbüro, ergreift eine von Panik diktierte Maßnahme nach der anderen und bedient damit in Wirklichkeit die Interessen des Kapitals. Jeden zweiten Tag werden die eigenen Beschlüsse umgeworfen. Wie es seinerzeit Erich Honecker oder Günter Mittag erging, wollen die Übergangsführer des ÖGB nun nichts mehr von ihrem Ex-Präsidenten Verzetnitsch oder dem Finanzchef Weniger wissen. Der Termin eines außerordentlichen ÖGB-Kongresses wird hin und her verschoben wie dies im Spätherbst 1989 mit dem Termin des letzten SED-Parteitages gemacht worden ist.

Der Skandal um die BAWAG wird von der regierenden ÖVP weidlich ausgenützt. Inwieweit ist das Desaster der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) mit anzulasten?

Man könnte fast Mitleid mit den Sozialdemokraten haben, wenn man mit ansehen muß, wie Bundeskanzler Schüssel die Bundeshaftung für die BAWAG zelebriert und die ÖGB-Spitzenleute zu Bittstellern degradiert. Es darf aber nicht vergessen werden, daß SPÖ-Spitzenfunktionäre für den katastrophalen Kurs in ÖGB und BAWAG verantwortlich waren und sind. Die ÖGB-Spitze ist im Parlament und in allen SPÖ-Spitzengremien vertreten. Am wichtigsten ist aber Folgendes: Die SPÖ ist sehr zufrieden, wenn sie in der Sozialpartnerschaft – die der verstorbene Ernst Wimmer zutreffend als Herz-Lungen-Maschine für das Großkapital charakterisiert hat – mitwirken kann, ob in der Regierung oder in Opposition. Ohne Emanzipation von den Interessen der Wirtschaft und den Vorgaben der EU-Lissabon-Strategie kommt man aber immer wieder in solche Situationen, wie sie in Österreich gerade aktuell sind.

Im Herbst finden in Österreich Nationalratswahlen statt. Wie sollte nach Meinung der steirischen Kommunisten der Wahlkampf der KPÖ verlaufen?

Auf steirische Art. Die Erfolge der steirischen KPÖ und von Ernest Kaltenegger – zuletzt bei der Landtagswahl am 2. Oktober 2005 – führen dazu, daß es bei uns eine Neupositionierung der Marke KPÖ gibt. Eine KPÖ, die den Zugang zu Menschen findet, welche sich enttäuscht von der Politik abwenden, und die konkrete Hilfe anbietet, hat jetzt – insbesondere nach dem ÖGB-BAWAG-Skandal der SPÖ – gute Möglichkeiten, ihren Einfluß auszubauen. Diese Möglichkeiten muß man nutzen. Wir müssen zeigen, daß wir konkrete Hilfe anbieten und gleichzeitig eine radikale Umverteilung von oben nach unten wollen.

Interview: Werner Pirker

Junge Welt, 20.5.06

19. Mai 2006