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Wohnen macht arm - zur Abschaffung der Wohnbeihilfe

Rede von Claudia Klimt-Weithaler am 5. Juli 2016 im Landtag

Vor jeder Wahl entdecken die Parteien das Thema „leistbares Wohnen“. Nach der Wahl ist es schnell wieder vergessen. Dabei wäre dringend notwendig, Maßnahmen zu setzen. Denn laut Statistik Austria sind die durchschnittlichen Wohnungskosten in den letzten fünf Jahren um 15 Prozent gestiegen, die mittleren Löhne und Gehälter aber nur um fünf Prozent. Seit dem EU-Beitritt hat sich die Anzahl der pro Jahr errichteten geförderten Wohnungen halbiert. 200.000 Haushalte in Österreich haben bereits „wohnungsbezogene Zahlungsschwierigkeiten“.

Wir haben das hier im Landtag Steiermark bereits unzählige Male zum Thema gemacht und Vorschläge gemacht:

  • Wiedereinführung der Zweckwidmung der Wohnbauförderung
  • Einrichtung eines Kautionsfonds
  • Valorisierung der Wohnbeihilfe
  • Mietzinsobergrenzen etc.

In dieser Legislaturperiode wurde uns immer wieder gesagt, man evaluiere nun alle Wohnunterstützungsleistungen und möchte im Herbst ein Gesamtpaket präsentieren.

Jetzt haben wir zwar nicht Herbst, aber ein Gesamtpaket, das sich Wohnungsunterstützungsgesetz nennt und uns als harmlose Verwaltungsvereinfachung verkauft werden sollte. Ein Gesetz, das man ohne Begutachtungsverfahren durchpeitschen will, ohne dass dazu Anlass besteht. Man kann nur Vermutungen anstellen, warum die Landesregierung ein derartiges Tempo vorlegen will.

Hinter dem Wohnungsunterstützungsgesetz – also der neuen Wohnbeihilfe – stecken massive Kürzungen, die wieder einmal auf Kosten der Steirerinnen und Steirer gehen werden, die ökonomisch am angreifbarsten sind.

Bereits in der Vergangenheit gab es grobe Einschnitte. 2009 betrugen die Aufwendungen für Wohnbeihilfe noch 73,4 Mio. Euro für 34.616 Haushalte, 2014 nur noch 46,3 Mio. Euro für 27.084 Haushalte.

Wenn dieses neue Gesetz kommt, werden noch weniger Menschen Anspruch auf Wohnunterstützung haben. Wir haben viele Beispiele durchgerechnet, es kommt immer weniger heraus als bisher. Da helfen auch die schönen Floskeln von „sozialer Treffsicherheit“ nichts und dass die Wohnungsunterstützung nun dort angekommen sei, wo sie hingehöre: in den Sozialbereich.

Ich möchte das anhand einiger Beispiele aufzeigen:

1. Die Untergrenze wurde gesenkt

Der Höchstbeitrag der Wohnunterstützung soll in Zukunft Menschen mit einem Einkommen von maximal 628 Euro zustehen – derzeit bekommt jemand WBH, wenn er maximal 872 Euro monatlich zur Verfügung hat.

2. Die Obergrenze wurde gesenkt

Wenn jemand im Jahr 13.538 Euro verdient, das sind monatlich 1.128 Euro, wird er in Zukunft keine Wohnunterstützung mehr erhalten. Derzeit bekommt jemand mit diesem Einkommen 58,85.- Euro Wohnbeihilfe.

Es hilft in der Praxis also nichts, wenn die Höchstsumme der WU ungefähr gleich bleibt – es wird künftig weniger Bezugsberechtigte geben, die noch weniger bekommen werden.

3. Familienbeihilfe und Alimente zählen künftig als Einkommen

Anders als bisher (und anders als bei der Mindestsicherung) werden Familienbeihilfe und Alimente nun als Einkommen betrachtet. Denjenigen, die Alimente zahlen, werden diese jedoch nicht abgezogen, d.h. das ist ein Nachteil für Alimente zahlende und Alimente empfangende Personen.

Besonders schlimm finde ich die Tatsache, dass die Familienbeihilfe nun so bewertet wird, als wäre sie ein Einkommen. Wenn man auch nur eine Sekunde darüber nachdenkt, welche Kosten allein durch den Schulbesuch auf Familien zukommen – je höher die Schulstufe, desto höher die Ausgaben: Ein von der Schule gefordertes Tablet in der 6. Schulstufe ist keine Besonderheit, Schulsportwochen, Sprachreisen, aber auch nur die Materialkosten stellen viele Eltern oft vor Probleme. Schuhe und Bekleidung kosten auch etwas, selbst wenn man sehr billig einkauft und wenn man dann vielleicht noch am Wochenende mit seinen Kindern etwas unternehmen möchte. Dann sind wir mit der Familienbeihilfe auch schon wieder fertig – ein Durchlaufposten sozusagen, kein Einkommen!

Durch diese Bewertung „steigt“ aber das Einkommen der bisher Bezugsberechtigten, viele werden dadurch aus dem Bezug fallen.

4. Das Vermögen muss offengelegt werden

Bisher war es beim Ansuchen um Wohnbeihilfe nicht notwendig, sein Vermögen offen zu legen, das soll künftig anders sein. Die Idee dahinter ist vermutlich: „Wer Geld vom Staat kassiert, muss beweisen, dass er/sie arm ist.“ Was dabei aber völlig außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass eine soziale Leistung, die hilft günstiger zu wohnen, wohl mehr mit dem völlig überteuerten Wohnungsmarkt und den geringen Löhnen und Gehältern zu tun hat. Würde es die Politik schaffen, das Wohnen wirklich leistbar zu gestalten, dann wären Beihilfen und Zuschüsse überhaupt nicht notwendig. In diesem Zusammenhang muss man auch erwähnen, dass man von denen, die im Laufe ihres Lebens mühsam etwas gespart haben, Offenlegung verlangt, während man das Wort Vermögensteuer für Reiche nicht einmal in den Mund nimmt. Die Reichen, Banken und Konzerne richten es sich in Panama und Co., die Kleinen müssen die Zeche bezahlen und jeden Cent offenlegen.

Abgesehen davon kommt es mit dieser Neuerung zu einer Stigmatisierung. Damit erreicht die Landesregierung, was sie will: weniger Menschen, die diese Unterstützungsleistung beantragen. Wieder was gespart!

5. Die Armutsschwelle wird neu definiert

Ein Anspruch auf Wohnunterstützung besteht künftig bei einem monatlichen Einkommen (inkl. Familienbeihilfe und Alimente) von maximal 966,90 Euro. Bei der Behandlung im UA wurde für die aktuelle Berechnung der Wert aus dem Jahr 2014 angenommen, das Einkommen aber für das Jahr 2016.

Und nun zu den Studierenden:

Zum Glück konnte der ursprüngliche Entwurf, nach dem nur mehr jenen Studierende eine Wohnunterstützung erhalten können, die auch Studienbeihilfe beziehen, abgewendet werden. Das wäre alles andere als sozial treffsicher gewesen. Aber auch die neue Idee, die Unterstützung an das Einkommen der Eltern zu koppeln, ist unausgereift.

Welche Einkommensgrenzen gelten für die Eltern? Dürfen sie nicht mehr als 1.123 Euro monatlich verdienen? Und wie lange wird das Einkommen der Eltern als Grundlage herangezogen, solange Unterhaltspflichten bestehen? Wenn ja, geht man analog zur Familienbeihilfe vor oder nimmt man eine durchschnittliche Studiendauer laut Statistik Austria? Wie werden Studierende eingestuft, wenn die Unterhaltspflicht aufgehoben ist?

Welche Regeln gelten für WGs? Angenommen eine Dreier-WG besteht aus zwei Studierenden, die WU beziehen können und einer Person, die nicht berechtigt ist. Wie erfolgt die Berechnung – bekommt diese 3er WG 2/3 der Unterstützung? Alles Fragen, die im Gesetz nicht beantwortet werden.

Es ist naiv anzunehmen, dass der Großteil der Studierenden zu Hause reiche Eltern hat, die sich den eigenen Wohnraum und den ihres Kindes/ihrer Kinder locker leisten können. Nehmen wir die Situation in Graz: Eine durchschnittliche Wohnung kostet 426 Euro, für das Leben in einer WG muss man im Schnitt 318 Euro berappen. Zieht man zu zweit in eine Wohnung, zahlt man durchschnittlich 384 Euro pro Person. Die finanzielle Situation der Studierenden ist alles andere als rosig, wie aktuelle Befragungen zeigen:

1/5 der Studierenden ist finanziell nicht in der Lage, FreundInnen einmal pro Monat zu sich nach Hause einzuladen. 13% können sich Schuhe und Bekleidung bei Bedarf nicht leisten und 6% können es sich nicht leisten, ihren Wohnraum angemessen zu beheizen.

Es wäre wichtiger darüber nachzudenken, wie man die Situation für diese jungen Menschen verbessern kann und nicht darüber, wie man möglichst viele von ihnen aus dem System der Wohnunterstützung drängt.

Wohnen macht arm, das zeigt die Realität. Statt leistbares Wohnen zu fördern, wird die Sparschraube weiter angezogen. Die Landesregierung arbeitet intensiv daran, die Wohnungskrise zu verschärfen.

 

7. Juli 2016