Vor 30 Jahren:

Der Grazer Parteitag der KPÖ

Vor 30 Jahren hielt die KPÖ (vom 14. -16. Juni 1991) ihren 28. Parteitag in Graz ab, zum ersten und bisher einzigen Mal in der Steiermark. Nicht nur darin liegt seine Bedeutung. Mitten in einer Existenzkrise der KPÖ schufen ihre  Mitglieder die Voraussetzungen für ihren Weiterbestand und ihre Entwicklung als selbständige und bündnisfähige Partei. In der Steiermark haben wir die Möglichkeiten genutzt, die uns die Parteitagsbeschlüsse gegeben haben.

 

 

Es war kein Parteitag wie jeder andere. Wenige Wochen zuvor waren die Parteivorsitzenden aus der KPÖ ausgetreten, weil sie nach dem Ende des Realsozialismus in Osteuropa keine Zukunft für eine kommunistische Partei gesehen hatten. Nur ein paar Tage danach würden die jugoslawischen Sezessionskriege beginnen. Das Ende der Sowjetunion stand bevor.

Und in der KPÖ gingen die Meinungen über Wege aus der Krise und über die Schwerpunktsetzungen der Politik weit auseinander. Das war kein Wunder. Schließlich war vieles zusammengebrochen, was man jahrzehntelang als unumstößliche Gewissheiten angesehen hatte. Deshalb hatte die verbliebene Leitung im Vorfeld des Parteitages zwei Entscheidungen getroffen: Die Tagung wurde nicht vom dezimierten Rest-ZK sondern von einer unabhängigen Gruppe von AktivistInnen vorbereitet. Und jedes Parteitagsmitglied hatte das Recht, am Parteitag teilzunehmen und dort das Stimmrecht auszuüben.

Ein neues - provisorisches - Statut sollte die Abkehr vom Überzentralismus der Vergangenheit einleiten und den Landes- und Bezirksorganisationen mehr Möglichkeiten zur selbständigen Arbeit bieten. Statt eines Zentralkomitees gab es nun einen Bundesvorstand, der von den Ländern beschickt wurde. Der Parteitag wählte 3 SprecherInnen (Margitta Kaltenegger, Otto Bruckner, Julius Mende), einen Bundessekretär (Walter Baier) und den Finanzverantwortlichen (Michael Graber).

 

Und es gab wichtige inhaltliche Festlegungen, die in einer politischen Erklärung zusammengefasst wurden. Der Parteitag stellte klar, „dass Sozialdemokratisierung, Auflösung oder Sektendasein (…) für die KPÖ keine Orientierung“ darstellten. Als selbständige und bündnisfähige Partei  wollte die KPÖ die „Option einer echten Erweiterung“ dadurch aufrechterhalten, dass „wir die politische Substanz unserer Bewegung  - vor allem an der Basis, in Gemeinden und Betrieben – sichern und die Zusammenarbeit mit anderen Oppositionellen vertiefen.“ Die politische Erklärung wurde mit großer Mehrheit angenommen. Es gab nur fünf Gegenstimmen. Eine weitere Gemeinsamkeit: Das Eintreten gegen den EU-Anschluss Österreichs und die Verteidigung der Neutralität unseres Landes.

 

Die Lektüre der drei Referate (Rechenschaftsbericht Walter Baier, Einleitung zur politischen Erklärung Franz Stephan Parteder, Einleitung zum Provisorischen Statut, Reinhard Sellner), des Schlußwortes (Margitta Kaltenegger) und der Diskussion ist auch nach drei Jahrzehnten sehr aufschlussreich.

Walter Baier betonte damals: „Die Grundfrage war: Wird die allgemeine Politik der Kommunistischen Partei Österreichs von der Mehrzahl der Mitglieder, von den Aktivisten und AktivistInnen bestimmt und ist letztlich der Wunsch und der Wille der Mitglieder der KPÖ ausschlaggebend für das politische Profil unserer Partei“. In seiner Rede sprach er mehrmals davon, sich wieder den konkreten Problemen der österreichischen Innenpolitik und der arbeitenden Menschen zuwenden zu wollen. Der Schluss seines Auftritts war ein Versprechen: „Österreich braucht eine moderne, kämpferische, eine demokratische Linkspartei. Eine solche Partei gibt es nicht, aber eine solche Partei wird die Kommunistische Partei Österreichs durch unsere Anstrengung, durch unsere Phantasie, durch unsere Solidarität werden.“

Franz Stephan Parteder (damals Landessekretär der steirischen KPÖ) hob bei der Vorstellung der politischen Erklärung hervor, dass  es darum ging, „unsere Partei wieder handlungsfähig und als weltanschauliche Alternative für jene Menschen interessant zu machen, für die der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte bedeutet“.Und er sagte: „Der Kampfruf ´Es lebe der Marxismus-Leninismus´hält nichts am Leben. Schon gar nicht eine Partei, die am Ende des 20. Jahrhunderts die Vision einer grundlegenden Umwälzung der Gesellschaft, das heißt Revolution und die Vision des Kommunismus zur Realität machen will. Wir müssen da schon unsere eigenen Köpfe anstrengen und zu eigenen Lösungen kommen. Das wird eine schwere Aufgabe sein, aber eine, für die es sich zu leben, zu kämpfen und zu streiten lohnt´."

VertreterInnen der steirischen KPÖ nahmen aktiv an der Parteitagsdiskussion teil. Ernest Kaltenegger betonte in seiner Begrüßungsansprache: „Werden die KommunistInnen ihre Energien in parteiinternen Grabenkämpfen verschwenden? Oder wird die KPÖ wieder zu einer Kraft, die an der Seite der Benachteiligten und Betroffenen steht, wenn es gilt, gegen Sozialabbau, gegen Sanierungskonzepte auf Kosten der Belegschaften, gegen die neue Wohnungsnot oder gegen Privilegienwirtschaft anzukämpfen?“

 

Ludwig Moharitsch aus Fohnsdorf appellierte an das Selbstvertrauen der GenossInnen: „Wir brauchen uns in Österreich unseres kommunistischen Namens nicht zu schämen. Wir haben bestimmt das Beste gewollt und Vieles getan und auch erreicht, mit werktätigen Kollegen und fortschrittlichen Menschen, die uns verstanden haben“.

Der Donawitzer Betriebsrat Karl Rußheim: „Ob sie (die KPÖ) bei den arbeitenden Menschen anerkannt wird, hängt davon ab, ob wir Kommunisten dort sind, wo die Arbeiter der Schuh drückt, und nicht in einem Kammerl, um uns ununterbrochen anzuagitieren“.

Und der Kapfenberger Gemeinderat Ludwig Podrepschek fügte hinzu: „Wenn es uns wieder gelingt, in den Betrieben Fuß zu fassen, bei jungen Menschen mehr Einfluss zu bekommen, dann wird der Erneuerungsprozess – und wir müssen natürlich aus Fehlern lernen -  sicherlich von Erfolg gekrönt sein.“

Josef Kampl (Betriebsrat Zeltweg) hatte folgendes Ansinnen: „Der Bundesvorstand – oder wie der Klub dann heißt – muss schauen, dass er konsequent und konkret arbeitet, ein Programm entwickeln, dass wir draußen wieder zum Arbeiten kommen“.

Der Eisenerzer KPÖ-Stadtrat Karl Fluch ergänzte: „Der Schwerpunkt unserer Arbeit muss dort liegen, wo unsere Partei durch Menschen aus Fleisch und Blut nach außen ausstrahlt.“

Margitta Kaltenegger: „Eine Erneuerung der KPÖ kann nur mit den Frauen und nicht an der Frauen vorbei gehen. Unabdingbar scheint mir dafür, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich Frauen in unsere Politik intensivst einbringen.“

 

Viele  Medien berichteten über den „KP-Krisenparteitag“(Kleine Zeitung) und vom „Überlebenskampf“ der Partei (Die Presse). Steirische Zeitungen hoben den Beitrag der KPÖ-Steiermark hervor, so die Neue Zeit der SP: „KPÖ sucht Weg aus Existenzkrise“.

 

Die Voraussetzungen für eine positive Entwicklung der KPÖ waren mit diesem Parteitag geschaffen worden, die Landesorganisationen hatten mehr Möglichkeiten für eine eigenständige Entwicklung. Allerdings bestand die Gefahr, dass unterschiedliche Politikansätze und persönliche Ambitionen, die vor und beim Parteitag sichtbar geworden waren, zu weiteren innerparteilichen Auseinandersetzungen führen konnten.

Und so ist es auch gekommen.

 

Die steirische KPÖ hat aber ihre Chance genützt. 1991 war sie nicht im Landtag vertreten, in Graz gab es einen (1) KPÖ-Gemeinderat, in der AK einen GLB-Vertreter, außerhalb von Graz erzielte die KPÖ bei der Gemeinderatswahl 1990 nur 0,89 Prozent der gültigen Stimmen.

2021 ist die steirische KPÖ mit zwei Mandaten im Landtag vertreten, ist mit 20 Prozent der gültigen Stimmen, 10 Gemeinderatsmandaten und zwei Stadträten zweitstärkste Kraft in Graz, hat 39 Mandate in den Gemeinderäten außerhalb von Graz erzielt und stellt eine Vizebürgermeisterin und vier Stadträte. Der GLB ist mit fünf Mandaten in der AK-Vollversammlung vertreten.

Noch wichtiger ist aber der gestiegene Einfluss der steirischen KPÖ, der sich auch in Bewegungen gegen Sozialabbau und für Verbesserungen im Sinne der arbeitenden Menschen gezeigt hat. Schritt für Schritt ist es gelungen, dass die KPÖ in der Steiermark wieder alle Funktionen einer kommunistischen Partei, die Interessenvertretung, den politischen Kampf und die ideologische Auseinandersetzung beherrscht.

30 Jahre nach dem Grazer Parteitag der KPÖ stellen sich grundlegende Fragen, über die damals diskutiert wurde,  unter anderen Bedingungen wieder neu, und zwar bundesweit. Alle Illusionen über einen friedensfähigen Kapitalismus, der in der Lage wäre, Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen abzufedern, sind von der Wirklichkeit Lügen gestraft worden. Der Marxismus hat sich als Instrument bewährt, mit dem man die Widersprüche in der Gesellschaft erkennen und diese verändern kann.

Österreich braucht eine starke kommunistische Partei. Vielleicht ist wieder ein Parteitag notwendig, an dem alle Mitglieder teilnehmen können, die – bei allen Unterschieden in  Einzelfragen – eine  gemeinsame Position haben: Das Eintreten für eine selbständige und bündnisfähige kommunistische Partei, die sich vor allem auf die ArbeiterInnenklasse stützt. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg.

F.St.P.

16. Juni 2021