Von „Mannsweibern“ und unschicklichen Hobbys…

Anita Strassers Serie "Gleichberechtigt im Jahr 2019?"

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Nach jahrzehntelangem Kampf für Gleichberechtigung werden aktuell immer wieder Stimmen laut, die meinen, der Kampf sei nun zu Ende und die Gleichberechtigung bereits hergestellt. Ist das wirklich so? 

Eigentlich sollte mein nächster Artikel erst im Juli erscheinen und eine komplett andere Facette des feministischen Themenspektrums beleuchten… Aber dann schlug ich heute die Tageszeitung auf und stieß auf einen für mich schockierenden Leserbrief, den ich Ihnen, liebe LeserInnen, nicht vorenthalten möchte:

„Damenfußball
Mein Sohn (23) hat sich vor einigen Wochen in ein Mädchen verliebt, das Damenfußball spielt. Er ist blind vor Verliebtheit und nach Möglichkeit bei fast jedem Match dabei. Wir sehen für ihn schwarz! Wir befürchten, er wird sich von diesem Mannweib unterdrücken und zum Wurschtel machen lassen. Was ist das denn für eine Frau, die wie ein Mann im Tor steht!“

Ich musste den Text zweimal lesen und konnte kaum glauben, dass es im Jahr 2019 in Österreich tatsächlich Menschen mit so einem vorgestrigen und sexistischen Weltbild gibt. Fußball wird hier ganz klar als männliches Hobby eingestuft, eine fußballspielende Frau, dieser Logik folgend, als „Mannweib“ klassifiziert.
Dem modernen Sohn, der dem elterlichen Einfluss entgegen seine Freundin bei ihrem Hobby unterstützt, wird seine Männlichkeit abgesprochen.

Natürlich kann man diesen Leserbrief als Einzelfall abtun, doch alleine die Tatsache, dass der/die VerfasserIn solche Gedanken überhaupt öffentlich macht und die Formulierung dieses persönlichen Problems als selbstverständlich und normal erachtet, lässt darauf schließen, dass es in seinem/ihrem Umfeld gesellschaftlich akzeptiert ist, so zu denken.
Solche Einzelfälle bestätigen mich und andere feministisch sensibilisierte Menschen darin, dass wir uns die noch immer gelebte Diskriminierung von Frauen nicht einbilden. Sie passiert noch immer, jeden Tag und überall in Österreich. Liebe MitstreiterInnen: Wir haben noch einen langen Weg vor uns.

In diesem Sinne, wünsche ich den Damen, die sich gerade mitten in der Fußball-WM 2019 befinden und über die es im Vergleich zur Fußball-WM der Männer 2018 wenig mediale Berichterstattung gibt, viel Erfolg! Ein Hoch auf die Frauenpower!

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(Quelle: Kronenzeitung vom 25.06.2019, S. 20, Leserbrief Kolumne Lust und Liebe)

1. Juli 2019