Über die Unattraktivität der Mutterrolle in Österreich….

Anita Strassers Serie "Gleichberechtigung im Jahr 2019?"

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Nach jahrzehntelangem Kampf für Gleichberechtigung werden aktuell immer wieder Stimmen laut, die meinen, der Kampf sei nun zu Ende und die Gleichberechtigung bereits hergestellt. Ist das wirklich so? 

Unlängst stolperte ich über einen Blogartikel mit der Überschrift: 

„In Schweden hat ein Kind Eltern, in Österreich eine Mutter”
und dachte bei mir, die Autorin hat den Nagel auf den Kopf getroffen. 

 

Nordeuropa als Vorbild

Von nordischen Ländern können wir viel lernen. Nicht nur die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen fällt deutlich kleiner als in Österreich aus, auch in Sachen Kinderbetreuung haben sie die Nase vorn.

Schweden hat den Anspruch auf Kinderbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr nicht nur leistbar gestaltet und gesetzlich verankert, sondern auch die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen an die tatsächliche Arbeitsrealität der Eltern angepasst.

In Island wird Gleichberechtigung als Schulfach unterrichtet. Dazu gibt es verpflichtende Frauenquoten in Führungspositionen. Das zeigt Wirkung. Seit 10 Jahren hat Island den kleinsten Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern weltweit*. Dank eines flexiblen und ausgeklügelten Karenzsystems nehmen inzwischen 97% der isländischen Väter Elternzeit in Anspruch.

*The Global Gender Gap Report 2018

 

Realität in Österreich

Viele Frauen empfinden die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, denen sie als Mutter in Österreich ausgesetzt wären, als inakzeptabel. Es sind vielfach Frauen, die gerne Kinder hätten, aber nicht um jeden Preis. Und dieser Preis ist bisweilen hoch:

Mutterglück einerseits – andererseits Karriereknick, Mehrfachbelastung durch Job, Haushalt und Kindererziehung, finanzielle Abhängigkeit vom Partner und zu guter Letzt Altersarmut. 

Viele junge Frauen lassen sich das nicht mehr so einfach gefallen. Verhütungsmittel und eine bessere Ausbildung als unseren Großmüttern zugänglich war, ermöglichen Frauen heute wirtschaftliche Unabhängigkeit und damit freie Entscheidungen in vielen Lebenslagen. Diese Frauen verstehen also, dass sie die Wahl haben, ein Kind zu bekommen oder eben auch nicht. Sie verstehen, dass eine Familiengründung kein unabwendbarer automatischer Prozess ist, sondern dass sie sich bewusst dafür oder dagegen entscheiden können. 

Selbsternannte Traditionalisten beschweren sich darüber, dass immer mehr Frauen kinderfrei bleiben möchten, doch anstatt das Dasein als Mutter für Frauen nach dem Vorbild nordischer Staaten attraktiver zu gestalten, bedient man sich hierzulande destruktiver Werkzeuge. Es wird darüber diskutiert, die Möglichkeit, Schwangerschaftsabbrüche durchführen zu lassen, drastisch zu erschweren. Immer wieder werden Stimmen laut, Menschen ohne Kinder sollten Abstriche in der Pension hinnehmen müssen, obwohl auch sie über Steuergelder für fremde Kinder zur Kasse gebeten werden. Hilft das alles nichts, werden religiöse Ansichten über die Sünde vom Gebrauch von Verhütungsmitteln oder die angebliche heilige Pflicht von Frauen, Kinder zu bekommen, ausgegraben. Ungarn ging gar noch weiter. Dort versucht man mit Maßnahmen, wie beispielsweise der Streichung der Studienrichtung Gender Studies, das Bewusstsein für Sexismus und Diskriminierung gar nicht erst aufkommen zu lassen. Frauen sollen also, am besten ohne zu murren, weiterhin all die Nachteile, die eine Mutterschaft mit sich bringt, hinnehmen. Gleichzeitig schrecken Männer angesichts drohender finanzieller Einbußen davor zurück, sich in eine der Mutterrolle gleichberechtigte Vaterrolle einzufinden. 

 

Fehlende Absicherung für eine Vaterschaft auf Augenhöhe

Vätern, die ihren Teil der elterlichen Verantwortung wahrnehmen möchten, wird noch nicht einmal der gesetzliche Kündigungsschutz bei Inanspruchnahme der Karenzzeiten zugestanden. Gerechtfertigt wird diese ganz klar sexistische Regelung mit Tradition wie auch mit wirtschaftlichen Pseudoargumenten. Seitens großer Wirtschaftsvertreter werden weltuntergangsähnliche Szenarien erdacht, etwa, dass eine breite Nutzung der Väterkarenz die komplette Wirtschaft ins Verderben stürzen würde. Doch in Ländern, in denen die Mehrheit der Männer ihre Vaterrolle bereits aktiv lebt und Frauen gleichzeitig fairer bezahlt werden, sind wirtschaftliche Katastrophen bisher ausgeblieben. Warum also soll das in Island und Schweden möglich sein, aber nicht in Österreich? Hier hakt es also wieder einmal mehr am Wollen als am Können. Traurig für so ein reiches Land wie Österreich!

3. September 2019