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Praktisches Gedenken an den Widerstand

Ernest Kaltenegger und die Partisanenwanderungen

Lebendige Erinnerung an
die Kämpfe der Partisanen
Gedenkmärsche zu Erinnerungsorten in Slowenien
Interview mit Ernst Kaltenegger, KPÖ.

UZ: Du bist am 8. Januar mit einem Gedenkmarsch ins Bergdorf Dragoše in Nordslowenien aufgebrochen. Dort hat heuer der Staatspräsident Danilo Turk gesprochen. Was hat dich veranlasst mitten im eisigen Winter an diesem mehrstündigen Bergmarsch teilzunehmen?

Ernst Kaltenegger: Es ist beeindruckend, wie lebendig die Erinnerung an den Widerstand gegen die faschistischen Besatzer in großen Teilen der slowenischen Bevölkerung heute noch ist. So zum Beispiel treffen sich alljährlich tausende Menschen am 2. Sonntag im Januar zu einer Großkundgebung in Dragoše um an das erste große Gefecht vom 9. bis 11. Jänner 1942 zwischen Partisanen und deutscher Wehrmacht zu erinnern. Damals hatten die zahlenmäßig noch weit unterlegenen Partisanen den Besatzern starke Verluste zugefügt. Aus Rache töteten die Faschisten 41 Zivilisten und brannten das Dorf nieder.

Heute erinnern ein großes Denkmal und der traditionelle Sternmarsch, der bei einigen Routen bereits um Mitternacht beginnt, an die Opfer des antifaschistischen Kampfes.

UZ: Du führst Rundreisen mit politisch/historisch interessierten Menschen zu Partisanengedenkstätten in Slowenien durch? Welche hältst du für besonders wichtig?

Ernst Kaltenegger: In Slowenien gibt es zahlreiche Gedenkstätten. Herausragend sind sicher das Partisanenkrankenhaus Franja, welches in einer engen Schlucht bei Cerkno versteckt ist und von den Besatzern nie entdeckt wurde. Hier pflegte man hunderte verwundete Partisanen und auch alliierte Soldaten.

Besonders beeindruckend ist auch die Partisanendruckerei Slovenija mitten in den Bergen bei Idrija. Dort schaffte man sogar die Herausgabe einer Tageszeitung mit einer Auflage zwischen 4 000 und 7 000 Exemplaren - eine logistische Meisterleistung! Die Druckerei befindet sich immer noch im Originalzustand, selbst die Druckmaschinen funktionieren.

UZ: Gibt es noch andere solche Sehenswürdigkeiten?

Ernst Kaltenegger: Erschütternd ist ein Besuch im Geiselmuseum Begunje. Während der Besatzungszeit befand sich in einem alten Schloss ein Gestapo-Gefängnis wo im Laufe der Zeit 12 134 Personen festgehalten wurden, darunter 2280 Frauen und 405 Kinder. Mehr als 800 wurden als Geiseln erschossen. Ein ehemaliger Zellentrakt wurde als Gedenkstätte erhalten.

Interessant ist auch die Baza 20 im Kocevske Rog, ein Sitz der politischen Führung des Widerstandes in Slowenien. In der Bela krajina wiederum erinnert ein altes Flugzeug in einem Acker an einen ehemaligen Partisanenflugplatz.

Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Es gibt kaum ein Dorf in Slowenien, wo nicht wenigstens eine Gedenktafel mit Rotem Stern an den Befreiungskampf erinnert.

UZ: Wer pflegt die Gedenkstätten? Gibt es antifaschistische Initiativen vor Ort?

Ernst Kaltenegger: Die großen Gedenkstätten werden in der Regel von nahegelegenen Museen betreut. Auch viele Kommunen kümmern sich um ihre Mahnmale. Vor allem aber spürt man das Bedürfnis vieler Menschen, die Erinnerung an den Mut ihrer Eltern und Großeltern wach zu halten.

UZ: Wie erfährt man/frau als Tourist, wo es welche Gedenkstätten gibt?

Ernst Kaltenegger: Gute Reiseführer erwähnen sie. Besonders empfehlen kann ich die Wanderbücher des Universitätszentrums UNIKUM Klagenfurt, wie zum Beispiel "Slowenien entgegen", Drava Verlag. Auch das Buch "Umkämpfte Erinnerungen", erschienen bei Assoziation A, gibt viele wertvolle Tipps.

UZ: Warum organisierst du diese Fahrten und wie lange dauern sie?

Ernst Kaltenegger: Weil auch bei uns möglichst viele Menschen über den antifaschistischen Widerstandskampf erfahren sollten. Er zeigt, dass selbst in finstersten Zeiten die Erhebung gegen ein Terrorregime möglich ist.

Vielleicht tragen diese Besuche auch ein klein wenig zur Erhaltung dieser beeindruckenden Erinnerungsorte bei.

Man sollte sich wenigsten zwei oder drei Tage für eine solche Reise frei halten.

UZ: Was war das besondere am jugoslawischen bzw. slowenischen Partisanenkampf?

Ernst Kaltenegger: Die Völker Jugoslawiens haben sich selbst befreit. Natürlich gab es materielle Unterstützung seitens der Alliierten, doch die Hauptlast des Krieges hat die Bevölkerung selbst getragen. Was mit kleineren Partisaneneinheiten begann, mündete letztendlich in eine schlagkräftige Volksbefreiungsarmee mit zirka 800 000 Kämpferinnen und Kämpfern.

Die Fragen stellte
Anne Rieger

Aus UZ, 30. 3. 2012

6. April 2012