Nein zum Superstaat EU!

Diskussionsbeitrag im Rahmen des Ratstreffens von TEAM

Gegenüber der EU nehmen die steirischen KommunistInnen die gleiche Haltung ein, wie wir sie gegenüber dem kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem einnehmen: Wir lehnen sie ab.

Nun bedeutet die Gegnerschaft zum Kapitalismus nicht, dass damit der Kapitalismus schon abgeschafft wäre. Es ist sogar noch schlimmer. Selbst die entschiedensten Widersacher dieses Systems werden von ihm beeinflusst und geformt. Und sie müssen innerhalb dieser Gegebenheiten Mittel und Wege finden, um diese zu überwinden.

Seit dem Anschluss Österreichs an die EU im Jahr 1995 geht es uns auch
gegenüber der EU so. Wir waren gegen den Beitritt unseres Landes. Wir lehnen die Entwicklung der EU zu einem supranationalen, imperialistischen Wirtschafts- und immer deutlicher auch Militärblock ab und wir versuchen, Alternativen zu ihr zu entwickeln.

Allerdings gibt es einen gewichtigen Unterschied: Die EU ist eines von drei Zentren des kapitalistischen Weltsystems. Auch angesichts des Ausmaßes der Konzentration und Zentralisation des Kapitals, das mit dem Begriff "Globalisierung" umschrieben wird, bestehen reale Möglichkeiten für europäische Alternativen zur EU, die innerhalb des Kapitalismus verwirklichbar sind.

Deshalb unterstützen wir die vielfältigen Protestaktionen in den Ländern der EU und auch in einigen der sogenannten Beitrittsländer Osteuropas gegen die Verträge von Maastricht und Nizza und gegen den Euro. Die Erfolge bei den Volksabstimmungen in Dänemark und Irland - und auch die hohe Zahl an Unterschriften für das EU-Austrittsvolksbegehren in Österreich - haben gezeigt, dass Mehrheiten der Bevölkerung in einigen Staaten gegen diese EU eintreten.
Und das ist gut so. Sein und Schein klaffen bei der EU nämlich sehr weit auseinander. Was als Friedensprojekt vermarktet wird, entpuppt sich als Versuch, eine ökonomische, politische und militärische Supermacht zu werden;
wo von Zusammenarbeit geredet wird, findet man Dominanz von politischen Eliten und von Kapitalgruppen, usw.

Genauso ist es bei der EU-Osterweiterung. Was als Beitrag zur Zusammenarbeit in Europa und zum besseren Zusammenleben der Völker dargestellt wird, ist ein beinharter Prozess der ökonomischen und politischen Unterordnung der Staaten Ost- und Südosteuropas, an dessen voraussehbarem Ende nicht mehr Toleranz auf unserem Kontinent, sondern eine Vertiefung der klassenmäßigen und nationalen Spaltung stehen werden.

"Ausgangspunkt unserer Einschätzung der EU-Osterweiterung ist die Charakterisierung der EU als das Europa der Konzerne, als ein neoliberales kapitalistisches Projekt. Das herausragende Charakteristikum der Entwicklung der Europäischen Union ist ihr zielstrebig verfolgter Ausbau zu einem imperialistischen Machtblock, dessen ökonomische politische und militärische Potenzen es ihm ermöglichen sollen, sich ganz Europa zu unterwerfen und im Kampf der imperialistischen Zentren um globalisierte Märkte, territoriale Einflusszonen und weltweite Vorherrschaft bestehen und neue Positionen erobern zu können.
In politisch-strategischer Hinsicht orientieren die EU-Eliten auf einen Wandel vom Staatenbund zum europäischen Bundesstaat mit eigenständiger Streitmacht (Eurocorps). In diesem Lichte ist auch der Gipfel von Nizza zu betrachten, der einerseits starke Zentralisierungstendenzen sichtbar macht, zum anderen die Achse Deutschland-Frankreich als "Kern der Kernstaaten" zementiert. Die finanzielle Basis dieser Orientierung bildet die Einführung des Euro als Einheitswährung."

(Wohin geht die EU?. Beschluss des Bundesvorstandes der KPÖ).

Das hat der KPÖ-Bundesvorstand im Frühjahr 2001 in seiner Stellungnahme zur Diskussion um die EU-Osterweiterung festgestellt.

Vermarktung der Daseinsvorsorge

Ich möchte nun vom Allgemeinen zum Konkreten kommen und an einem Beispiel erläutern, was diese EU für die Gemeinden bedeutet. In diesem Zusammenhang zitiere ich einen Befürworter der EU, den Europaparlamentarier der PDS Andre Brie.
Er hat auf einem Kongress in Dresden am 27. Oktober nämlich in ein mir viel zu unkritisches Referat über "Kommunen und Europa" einige bittere Wahrheiten verpackt. So stellt er fest:
"Die Entwicklung der Europäischen Union und die EU-Politik werden gegenwärtig in außerordentlich starkem Maße von den Bestrebungen zur wirtschaftlichen Liberalisierung und Deregulierung sowie zur Privatisierung bestimmt. Das Ziel eines freien wirtschaftlichen Wettbewerbs dominiert eindeutig über soziale, kulturelle, ökologische und demokratische Belange. Die Auseinandersetzung um die Leistungen der Daseinsvorsorge ist dafür ein wesentliches Beispiel. (...)
Es bleibt doch dabei, dass die sozialen, infrastrukturellen und kulturellen Leistungen der Kommunen und Landkreise für die Bürgerinnen und Bürger schrittweise dem europaweiten wirtschaftlichen Wettbewerb, der Vollendung des Binnenmarktes", wie es in der EU-Sprache heißt, unterworfen werden sollen.
Die Kommission behauptete in einer Pressemitteilung vom 17. Oktober 2001 zu ihrem Bericht, diese Politik hätte bereits zu einer "erheblichen" Verbesserung der Leistungen der Daseinsvorsorge geführt und werde das auch in Zukunft tun. Ich glaube jedoch, dass viele Menschen die Wasser- und Abwasserpreise, die Qualität des öffentlichen Personenverkehrs oder auch die Angriffe auf das Sparkassensystem ganz und gar nicht als eine solche Verbesserung erfahren haben.
Dass Deregulierung und Privatisierung zudem in den meisten Fällen auch mit der Gefährdung von Arbeitsplätzen, tariflicher Bezahlung und kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten einher gehen, ist zumindest den Betroffenen bekannt.
Dies sind Gründe, die nach meiner Überzeugung Gleichgültigkeit und Ablehnung gegenüber der EU und der europäischen Integration in Deutschland genährt haben."

"Die Bestrebungen der EU-Kommission, die Leistungen der Daseinsvorsorge umfassend dem Wettbewerbs- und Beihilferecht der Europäischen Union, des europäischen Binnenmarktes zu unterwerfen, stellen ....ein sehr großes Problem für die soziale Verpflichtung der Kommunen und ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten dar. Die über die EU-Binnenmarktrichtlinie erfolgte Liberalisierung des Energiemarktes hat einerseits eine zeitweilige Reduzierung von Strompreisen für Verbraucherinnen und Verbraucher gebracht, andererseits jedoch die Möglichkeiten der Kommunen für die Quersubventionierung kommunaler Dienstleistungen bereits eingeschränkt.
Heftig ist derzeit die Auseinandersetzung insbesondere um die Quersubventionierung des öffentlichen Personennahverkehrs, die dem zuständigen EU-Kommissar Monti missfällt und die in diesen Wochen im Europäischen Parlament behandelt wird.(...)
Langfristig sind Subventionierung beziehungsweise Quersubventionierung des ÖPNV und anderer kommunaler Dienstleistungen ohnehin gefährdet, damit soziale und kulturelle Angebote der Kommunen für ihre Bürgerinnen und Bürger, kommunale und regionale Unternehmen, und nicht nur solche in öffentlichem Besitz, sowie Tarifbedingungen."

6 Euro pro Kopf und Jahr

Das sagt ein Mandatar, der für die EU und für die Osterweiterung eingestellt ist.
Im Zusammenhang mit der Osterweiterung hat er auf dieser Tagung ein weiteres wichtiges Detail bekannt gegeben: Es wird ja bei uns sehr viel über die Grenzlandförderung durch die EU gesprochen. Brie stellt die Dimensionen richtig: "Pro Kopf und Jahr handelt es sich um nicht mehr als 6 Euro, die europaweit den Grenzregionen zur Verfügung stehen sollen!"

Es bedarf eines großen Maßes an Gutgläubigkeit oder Selbstbetrug, angesichts der absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung und der zunehmenden Verstrickung der EU-Länder in weltweite Kriegsabenteuer auf einen Wandel dieser EU zu mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit zu hoffen, wie dies Andre Brie in weiten Strecken der Rede tut, aus der ich zitiert habe.

Ich habe im Rahmen meiner Partei, der KPÖ, die Gelegenheit, VerfechterInnen eines derartigen Wandels der EU mit den Realitäten des kapitalistischen Europa zu konfrontieren, und erhalte oft zur Antwort, dass die EU wenigstens gegen Nationalismus und Chauvinismus gerichtet wäre, der in einigen Ländern der EU und auch Mittel- und Osteuropas ein echtes Problem ist. Hier wird übersehen, dass in der EU derzeit der Prozess des Ersetzens des einen Nationalismus durch den anderen im Gange ist.

Die größte Gefahr ist für mich derzeit der Euro-Nationalismus, der von den herrschenden Eliten ganz bewusst geschürt wird. Durch ihn sollen die Werktätigen an das Weltmachtprojekt EU gekettet werden. Spontane Kritik am Euronationalismus wird als nationalistisch gebrandmarkt, obwohl sie oft nur reale Probleme auf unrichtige Weise anspricht.
Für mich als Internationalisten geht es aber nicht um die Fragestellung Nationalstaat als solcher gegen die EU oder gegen andere Länder.
Die Fragestellung lautet für mich Kampf für Demokratie, für die Solidarität zwischen den Völkern Österreichs, der anderen EU-Länder und selbstverständlich auch in der Beziehung zu den Völkern in Osteuropa und in der Dritten Welt.

Ich hoffe, dass ich mit dieser Haltung Verständnis auch bei solchen
Kritikerinnen und Kritikern der EU finden kann, die meine gesellschaftspolitischen Positionen als Kommunist nicht teilen.

6. Juli 2005