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Mindestsicherung muss halten, was sie verspricht!

Claudia Klimt-Weithaler zur Einführung der "Bedarfsorientierten Mindestsicherung" am 1.9.2010

Im November 2009 wurde der aktuelle Sozialbericht des Landes Steiermark veröffentlicht. Er beinhaltet zwei Kernaussagen: Erstens, die Sozialausgaben explodieren und zweitens, immer mehr Menschen sind von Armut bedroht. Konkret heißt das, dass jeder/jedem SteirerIn durchschnittlich € 1.463 Euro im Monat zur Verfügung stehen – damit liegt die Steiermark unter dem Österreichdurchschnitt – und bereits 12% der SteirerInnen gelten als armutsgefährdet. Wenn man die Sozialleistungen wegrechnet, wären es sagenhafte 43%!

Diese Entwicklung spüren wir deutlich in unseren Sozialsprechstunden in Graz und in vielen steirischen Bezirken. Die Wirtschaftskrise hat das ihre dazu beigetragen: Kündigungen, Kurzarbeit und Lohnverzicht stehen nach wie vor an der Tagesordnung. Unzählige Menschen befinden sich derzeit in prekären Beschäftigungsverhältnissen, haben „Spezialverträge“ bei Projektarbeiten, freie DienstnehmerInnenverträge oder arbeiten unfreiwillig als Selbstständige. Ihnen allen ist eines gemein: Sie arbeiten und können von dem Lohn nicht leben, weil er nicht existenzsichernd ist. Sie gehören zu jener Gruppe, die als besonders armutsgefährdet gilt, ebenso wie Alleinerziehende und PensionistInnen. Frauen trifft es doppelt schlimm.

Armut wird immer noch als Schande, als Einzelversagen empfunden. Durch die Armuts- und Sozialberichte und die Medienberichterstattung der letzten Jahre, ist es zumindest politisch thematisiert. Dadurch ist die Debatte über die Mindestsicherung wieder in Schwung gekommen. Es steht mittlerweile außer Frage, dass wir, wenn wir Armut effektiv bekämpfen wollen, eine Verbesserung des derzeitigen Systems brauchen.
Mit 1. September 2010 soll in Österreich die Mindestsicherung eingeführt werden. Fakt ist, dass es dafür einen Plan gibt, der sehr unbefriedigend ist.

Höhe der Mindestsicherung
Die geplante Mindestsicherung soll in der Höhe von € 733.- (netto) monatlich 12x pro Jahr ausbezahlt werden, das sind € 24.- täglich. Damit müssen Wohnung und Betriebskosten bezahlt sowie Lebensmittel und Kleidung eingekauft und ev. ein kaputtes Haushaltsgerät repariert werden. Das kann sich nicht ausgehen. Abgesehen davon liegt die „Armutsschwelle“, also jener Richtwert, der im Armutsbericht angenommen wird, wenn es darum geht, wer als armutsgefährdet gilt, darüber, nämlich bei € 827.- monatlich. Was im Grunde nichts anderes heißt, als dass die Mindestsicherung keine wirkliche Absicherung ist – sie hält aufgrund ihrer geplanten Höhe nicht, was ihr Name verspricht.

Auszahlungsmodalitäten
Die Mindestsicherung soll 12 Mal jährlich ausgezahlt werden. Sonderzahlungen, wie sie in der Steiermark bisher bei der Sozialhilfe geleistet werden (also eine 13. und 14. Auszahlung), sind nicht vorgesehen. Das ist für die Steirer und Steirerinnen eine Verschlechterung. Der zuständige Soziallandesrat darf jedoch nicht gegen das vereinbarte Verschlechterungsverbot verstoßen, also muss es eine 13. und 14. Auszahlung geben, was wiederum heißt, dass es keine bundesweite einheitliche Lösung gibt.

Bearbeitung in den Bezirkshauptmannschaften
Zu kritisieren ist zusätzlich, dass die Bearbeitung der Mindestsicherungsanträge nicht wie geplant in einem „One-Stop-Shop“ durchgeführt wird, sondern in den Bezirkshauptmannschaften.

Krankenversicherung
Positiv ist die einhergehende Krankenversicherung zu sehen, aber das macht auf gut steirisch „das Kraut auch nicht mehr fett“!
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Mindestsicherung so, wie sie nun beschlossen werden soll, keine wirkliche Absicherung bedeutet und deshalb auch nicht effektiv Armut bekämpfen wird.

„Hartz IV auf österreichisch“
Besonders bedenklich ist jene Passage im Gesetz, in der von „arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen“ die Rede ist. Zwar wären Initiativen, die Betroffenen einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen, durchaus begrüßenswert. Doch zeigt das Beispiel Deutschland mit der berüchtigten Hartz-IV-Regelung, was tatsächlich damit gemeint ist: die Etablierung eines zusätzlichen Billiglohnsektors, der letztlich nicht nur ein Druckmittel für die BezieherInnen der Grundsicherung darstellt, jeden noch so schlecht bezahlten Job anzunehmen, sondern gleichzeitig auch das Lohniveau insgesamt senkt.

Forderungen der KPÖ
Die Mindestsicherung muss höher sein als der „Armutsschwellenrichtwert“ und 14 Mal jährlich ausbezahlt werden. Es darf keine Rückzahlungspflicht (Regress) geben und gleichzeitig müssen bestehende Transferleistungen (Mindestpension, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) ebenfalls angehoben werden. Wir fordern die Einführung eines Mindestlohnes sowie eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und die Senkung des Pensionsalters.

Letztendlich können wirkliche Veränderungen, die für die Bevölkerung positiv sind, nur dann erreicht werden, wenn es eine Wirtschaftspolitik gibt, die auf die Schaffung von existenzsichernden Arbeitsplätzen ausgerichtet ist!

17. Februar 2010