Marx in seiner Zeit: Die Anfänge der ArbeiterInnenbewegung

Anne Rieger auf der Karl-Marx-Kon­fe­renz in Graz am 5. Mai 2018.

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„Es war Marx, der sich nicht erst im Rahmen des Genfer Kongresses der Internationalen Ar-beiterassoziation 1866 für die Einführung des Acht-Stunden-Tags ins Zeug legte – und damit das Fundament für die 1.-Mai-Demonstrationen schuf, die mit dieser Kernforderung zwei Jahrzehnte später Kapitalisten in vielen Ländern das Fürchten lehrten“, sagte Anne Rieger beim Karl-Marx-Kongress am 5. Mai 2918 in Graz.

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Karl Marx war nicht der Erfinder der ArbeiterInnenbewegung. Er wurde 1818 in ihre Anfänge hinein geboren. Was ihn bedeutend macht, war seine Fähigkeit, die bereits vorgefundenen Bewegungen und das während seiner Lebensphase sich abspielende genau zu beobachten, zu recherchieren, und daraus Schlüsse im Interesse der Lohnabhängigen, des Proletariats, zu ziehen.
Sie gaben dem Kampf der ArbeiterInnenbewegung eine wissenschaftliche Grundlage, eine radikale Zielrichtung, erklärten die Ursache der Ausbeutung und der Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit – und sind heute noch hilfreich, eine Orientierung und ein Kompass in unserem Kampf, gegen die herrschenden Kreise dieses Landes, der EU, auf dem gesamten Planeten für eine Welt ohne Ausbeutung.

KJÖ und KSV haben das auf ihrem 1. Mai Plakat auf den Punkt gebracht:
Wenn die ArbeiterInnen was unternehmen,
müssten die Unternehmer was arbeiten!

1818, bei Marx’ Geburt, hatten ehemalige LandarbeiterInnen, von ihrem Boden mit Feuer und Militär vertriebene Bauern und sozial deklassierte Handwerker schon erste Kämpfe um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, auch organisierte Kämpfe, und viele Niederlagen, hinter sich. Proteste und Widerstand gab es schon seit Jahrhunderten.

Mit der Einführung der Manufakturen und besonders mit der 1780 beginnenden Industrialisierung wurden die Arbeits- und Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen grauenhaft, für eine kleine Minderheit brachte sie unermesslichen Reichtum.

Die neuen Maschinen machten die Arbeit erwachsener Männer überflüssig; sie erforderten zu ihrer Beaufsichtigung Weiber und Kinder, die zu diesem Geschäft weit geeigneter und zugleich wohlfeiler zu haben waren als die Männer. Die industrielle Exploitation bemächtigte sich also sofort der ganzen Arbeiterfamilie und sperrte sie in die Fabrik; Weiber und Kinder mußten Tag und Nacht unaufhörlich arbeiten, bis die vollständigste physische Abmattung sie niederwarf. Die Armenkinder der workhouses wurden bei der steigenden Nachfrage nach Kindern ein vollständiger Handelsartikel; vom vierten, ja vom dritten Jahre an wurden sie schockweise in der Form von Lehrkontrakten an den meistbietenden Fabrikanten versteigert“, hatte Engels im „Zehnstundenbill“ geschrieben.

Die Kämpfe des sich entwickelnden Widerstands waren immer nur begrenzt auf lokaler Ebene, auf einzelne Branchen, die Zielrichtung nicht immer eindeutig. Bereits 1789 – Stichwort französische Revolution – gab es in England erste Versuche zur Gründung von ArbeiterInnenorganisationen. 1792 gründete der Schumacher Thomas Hardy in London die Corresponding Societies, in denen sich in den folgenden Jahren tausende ArbeiterInnen organisierten. Sie kämpften um das allgemeine und gleiche Wahlrecht, wurden verfolgt und, wie gewerkschaftliche Vereine, sieben Jahre später verboten.

1792 demonstrierten auch in Wien Textilarbeiterinnen gegen Unrecht und soziale Missstände, 1801 wehrten sich die sogenannten „Bäckerjungen“ gegen die Einführung der Nacht- und Sonntagsarbeit in Salzburg. 1812 wurde in England die Todesstrafe gegen die Zerstörung von Maschinen ausgesprochen, und 1813, fünf Jahre vor Marx‘ Geburt, wurden in New York 18 Maschinenstürmer hingerichtet.

Maschinenstürme waren das Ergebnis des sich entwickelnden Kapitalismus und des Kampfes der uninformierten ArbeiterInnen dagegen. Sie glaubten, die Maschinen nähmen ihnen die Arbeit weg. So wie auch uns heute eingeredet werden soll, die Industrie 4.0, Informationstechnologie und vernetzten Roboter nähmen uns die Arbeit weg, wo es doch in Wirklichkeit die Profite sind, die sich die Kapitalisten aus dem Produktivitätsfortschritt aneignen, der mit dieser technologischen Entwicklung verbunden ist, anstatt Arbeitszeitverkürzung für uns zuzugestehen.

Die herrschende Bourgeoisie damals verwendete die Staatsgewalt um den Arbeitslohn zu regulieren, zu senken: Der gesetzliche Lohntarif wurde festgesetzt und bei Gefängnisstrafe untersagt, einen höheren Lohn zu zahlen. Aber der Empfang höheren Lohns wurde strenger bestraft als die Zahlung.

ArbeiterInnenzusammenschlüsse wurden als schweres Verbrechen behandelt vom 14. Jahrhundert bis 1825, wo Gewerkschaften in England teilweise legalisiert wurden. Erst 1859 bzw. 1871 waren Gewerkschaften legal möglich.

1815 entwickelt sich in England die Chartistenbewegung, eine Demonstrationsbewegung für demokratische Verhältnisse und demokratisches Wahlrecht, von ihrem Ursprung und ihren ersten Trägern nicht ArbeiterInnenbewegung. Aber überall schließen sich die englischen Industriearbeiter und ihre Frauen – so kann man es nachlesen – dieser Bewegung an. Sie ist dann der Masse der Anhänger nach  ArbeiterInnenbewegung

1830 stürzte die Bevölkerung von Paris die Herrschaft der Bourbonen Könige, 1831 streikten in Lyon SeidenarbeiterInnen.

1830 gründeten in Paris einige Emigranten den Zirkel „Deutscher Volksverein“. Sie traten für die bürgerliche Gleichheit aller Menschen in einer bürgerlichen Republik ein. Vier Jahre später wurde er bereits verboten. Als „Bund der Geächteten“ bestand er im Geheimen weiter. 1838 wurde nach internen Auseinandersetzungen der geheime „Bund der Gerechten“ neu gegründet. Er wollte „die Abschaffung der Ausbeutung und die Gestaltung einer gerechten und sozialen Ordnung, einer sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft“. In seinem Aufruf hieß es: „Alle Menschen sind Brüder“.

Damit trat die deutsche ArbeiterInnenbewegung, obwohl noch „keine vollgültigen Proletarier“, wie Friedrich Engels, ins Leben.

Am 1.  März 1834, als Marx 16 war, streikten 30.000 ArbeiterInnen in Manchester für den Acht-Stunden-Tag: Acht Stunden arbeiten, acht Stunden Schlaf und acht Stunden Freizeit und Erholung“. Über die Reproduktionsarbeit der Frauen wurde damals kaum nachgedacht – jedenfalls nicht öffentlich. Die Bewegung wurde zerschlagen, dennoch wurde am 1.Mai 1848 Mai in Großbritannien der Zehn-Stunden-Tag erstmals verbindlich festgeschrieben. Ein Teilerfolg, denn ein 14- bis 16-stündiger Arbeitstag war zuvor keine Seltenheit.

In dieser Zeit wuchs Karl Marx im erzkatholischen Trier auf, in einer jüdischen Familie, die unter dem Assimilationsdruck der Regierung zum Protestantismus konvertierte.
Assimilationsdruck für Teile der Bevölkerung – das kommt uns auch heute bekannt vor.

Marx begann mit 17 in Bonn Jus zu studieren und wurde auch schon mal wegen Lärmens und Trunkenheit verhaftet. 1836 ging er nach Berlin und studierte zusätzlich Philosophie und Geschichte, die philosophische Lehre Hegels, seine Dialektik und wollte gemeinsam mit den Hegelianern die Philosophie ergründen. Er erwarb mit 23 Jahren in Jena den Doktortitel der Philosophie.

Auf Grund seiner linkshegelianischen Überzeugung wurde ihm die akademische Laufbahn verweigert – auch so etwas ist uns heute bekannt – und ging mit 24 Jahren als Redakteur zur Rheinischen Zeitung nach Köln, die damals von fortschrittlichen Bürgern gegründet worden war. Er vertrat einen radikal oppositionellen Standpunkt.

Zum ersten Mal behandelte Marx die soziale Frage, als er im Herbst 1842 eine Analyse der Debatten des Landtags über das Holzdiebstahlgesetz in der Zeitung veröffentlichte. Im rheinischen Landtag wurde ein Gesetz durchgeboxt, dass das Aufsammeln von Raffholz – Klaubholz – verbot und das jahrhundertealte Gewohnheitsrecht zum Diebstahl erklärt. Die Fraktion der Waldeigentümer setzt das Sammeln von Raffholz mit dem Diebstahl ganzer oder geschlagener Bäume gleich. Entsprechend sollten die Landtagsabgeordneten das Sammeln von dürrem Holz im Wald mit Zuchthaus bestrafen. Das Verbot des Sammelns von Raffholz machte aus einem Gewohnheitsrecht der Armen ein Monopol der Reichen. Zugleich eigneten sie sich das Gewaltmonopol an.

Rückblickend schrieb Marx 1859:Als Redakteur der Rheinischen Zeitung musste ich über sogenannte materielle Interessen mitsprechen, die Verhandlungen über das Holzdiebstahlgesetz gaben die ersten Anlässe zu meiner Beschäftigung mit ökonomischen Fragen.

Die Zeitung, Sprachrohr der radikal demokratischen Kräfte des Bürgertums, wurde verboten. Marx musste 1843 nach Paris emigrieren, traf dort Engels, durch den er auf weitere ökonomische Tatsachen gestoßen wurde, fand rasch Anschluss an den „Bund der Gerechten“, der u.a. die Abschaffung des Eigentums forderte, und knüpfte Fäden zu geheimen republikanisch-sozialistischen Zentren und ArbeiterInnengesellschaften in Frankreich.

Aus Paris ausgewiesene Männer des „Bundes der Gerechten“ gründeten in London einen Arbeiterbildungsverein. Nicht Putsch, nicht allein Aufklärung würde zum Sozialismus führen, der Bedarf nach einer wissenschaftlichen Lehre vom Sozialismus wurde stärker. England war in der kapitalistischen Entwicklung anderen Ländern voraus, die Londoner Zentrale des Bundes wurde zum führenden geistigen Zentrum und der Bund verankerte sich in Deutschland unter den ArbeiterInnen.

Im Juni 1844 kam es in Schlesien zu einem Aufstand der WeberInnen. 3.000 legten drei Tage lang die Arbeit nieder, gingen auf die Straße gegen ihre katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Hungerlöhne. Die ganze Familie, Frauen, Mädchen und Jungen wurden zu schwersten körperlichen Arbeiten gezwungen, die sie von ihren physischen Voraussetzungen her nicht leisten konnten. Nicht selten brach ein/e ArbeiterIn nach einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 14 Stunden erschöpft am Webstuhl zusammen. Sie fertigten in Heimarbeit – also ohne Arbeitszeitbegrenzung – auch das ist uns heute bekannt.

In den Jahren vor 1844 spitzte sich die Lage für die WeberInnen weiter zu. England hatte es durch technische Innovationen geschafft, die Produktionskosten zu senken und Baumwollstoff dadurch erheblich günstiger zu produzieren. Durch die britische Konkurrenz drückten die Fabrikbesitzer das Lohnniveau der schlesischen WeberInnen noch weiter. Diese Situation wurde verschärft durch Missernten, die zu erheblichen Preisanstiegen genutzt wurden. Die Fabrikbesitzer reagierten auf die Forderungen der WeberInnen nicht. Daraufhin wussten sich diese nur noch gewaltsam zu wehren. Sie vertrieben ihre reichen Arbeitgeber samt Familien, zerstörten ihre Häuser, Maschinen und alles, was ihnen in die Hände fiel. Bis 6. Juni schienen sie die Oberhand zu behalten, dann rückte das preußische Militär an und beendete den Aufstand blutig. Auf Seite der WeberInnen waren elf Tote und 24 Schwerverletzte zu beklagen.

Die schlimme Lage der WeberInnen änderte sich auch nach den Ereignissen von 1844 nicht wesentlich. Da ihr Elend aufgrund von Zeitungsberichten in ganz Deutschland bekannt geworden war, entstand Solidarität. Kleider und Lebensmittel für die hungernden und frierenden Menschen wurden gesammelt. 

Der WeberInnenaufstand war die erste große proletarische Erhebung in Deutschland. Zwar erfolglos aber bedeutsam: Erstmals hatte die deutsche ArbeiterInnenklasse sich aus der Ergebenheit in die Rebellion begeben. Intensiv und leidenschaftlich verfolgte Marx den Aufstand, der ja durchaus Elemente von Maschinenstürmerei hatte.

1844 und 1846 gab es auch in böhmischen Kattunfabriken schwere Streikunruhen, Zerstörung von Arbeitsstätten inklusive, die vom Militär und Polizei „niedergeworfen“ wurden. In Österreich gab es das Koalitionsverbot, aber Buchdrucker gründeten 1824 in Linz, 1826 in Innsbruck, 1842 in Wien erste Hilfskassen.

Marx beschäftigte sich mit geschichtlichen und philosophischen Studien und kam zu dem Schluss, dass die Geschichte nicht die Geschichte von Ideen, nicht vom Hegelschen Weltgeist bestimmt wird, sondern dass die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse die entscheidende Rolle im Leben der Gesellschaft spielen. Marx und auch Engels dachten sich nicht alles neu aus, sondern knüpften an die Strömungen der Zeit an: an die klassische deutsche Philosophie von Kant bis Hegel, die politische Ökonomie von Adam Smith und David Ricardo, die französische Aufklärung, den utopischen Sozialismus (Owen, St. Simon, Fourier) und französische Historiker und Politiker (Mignet, Thierry). Sie entwickelten die Erkenntnis, dass die Gesellschaft in Klassen gespalten ist, und das die politischen Probleme durch Klassenkämpfe gelöst werden.

In der „Die Deutsche Ideologie“ hielten sie ihre gewonnenen Erkenntnisse darüber fest, dass die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft über verschiedene Stufen zum Sozialismus führt: „Jede frühere Gesellschaftsordnung bereitet die folgende vor, und wird durch die Revolution beendet.

Diese materialistische Geschichtsauffassung war der Anlauf zu einem neuen Geschichtsbild, Marx und Engels leiteten daraus die Notwendigkeit des Sturzes der kapitalistischen Gesellschaft ab. Die Schrift wurde erst später veröffentlicht.

Anfang 1845 war Marx aus Frankreich ausgewiesen worden und ging nach Brüssel, wo er „reichlich Fühlung mit dem organisierten Proletariat“ hatte. Marx erkannte, dass Parteien die Interessen bestimmter Klassen vertreten und forcierten die Gründung einer ArbeiterInnenpartei, die auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus steht und gründete 1846 das „Kommunistische Korrespondenz Komitee“, einen Zusammenschluss aller revolutionären KommunistInnen und ArbeiterInnen Deutschlands und anderer Länder.

Engels dokumentierte die grauenhafte, entsetzliche Arbeits- und Lebensbedingungen in seiner Schrift: „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ und beschrieb die Entwicklung von Krisen durch Überproduktion und nicht vorhandene kaufkräftige Nachfrage. Bis 1848 gab es vier Krisen (1817, 1825, 1836, 1847/48) um Getreide, Eisenbahnen, Bergwerke, Banken, Baumwollspinnereien.

„Vor vierzig Jahren stand England vor einer Krisis, die zu lösen allem Anschein nach nur die Gewalt berufen war. Die ungeheure und rasche Entwicklung der Industrie hatte die Ausdehnung der auswärtigen Märkte und die Zunahme der Nachfrage weit überholt. Alle zehn Jahre wurde der Gang der Produktion gewaltsam unterbrochen durch eine allgemeine Handelskrisis, der, nach einer langen Periode chronischer Abspannung, wenige kurze Jahre der Prosperität folgten, um stets wieder zu enden in fieberhafter Überproduktion und schließlich in neuem Zusammenbruch.“

1847 gründete sich der „Bund der Kommunisten“ in London als Geheimbund, mit internationalem Anspruch und der Losung „Proletarier aller Länder vereinigt euch“. Die Initiatoren wollten Marx und Engels als Mitglieder. Anfang Juni fand der erste Kongress in London statt, Marx konnte wegen Geldmangels nicht teilnehmen. Zweck des Bundes war der Sturz der Bourgeoisie. Er ging aus dem Bund der Gerechten hervor und wurde von einer politischen deutschen ArbeiterInnenorganisation zu einer revolutionären Proletarischen Partei. Er war der Vorläufer der „Internationalen Arbeiterassoziation“, heute als Erste Internationale bekannt.

In ihrem Auftrag schrieben Marx und Engels 1847das Kommunistische Manifest, das im Februar 1848 kurz vor Beginn der Revolutionen in Europa herausgegeben wurde. Dort heißt es: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Klassenkämpfen“.

Die Mitglieder des Bundes sagten die direkt folgenden Klassenkämpfe voraus, die Revolutionen in Österreich, in der Schweiz, in Frankreich. Große Teile der Arbeiterschaft in Frankreich sind arbeitslos, die Produktion kann nicht mehr abgesetzt werden, die Armee aus Bauern will nicht mehr für den König kämpfen. Es kommt zur bürgerlich demokratischen Februarrevolution 1848, die am 24. Februar die Herrschaft der Bourbonen beendete. Die Zweite Französische Republik wurde ausgerufen. Sie bildete den Funken für die sich anschließenden Märzrevolutionen in weiteren Regionen Mitteleuropas. Im Juni 1848 kam es zum erneuten Aufstand der ArbeiterInnenschaft anlässlich der Schließung der französischen Nationalwerkstätten, die vielen Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten erschlossen hatten. Der Pariser Juniaufstand wurde bald von Einheiten der französischen Armee und der Nationalgarde erstickt. Die Zahl der getöteten ArbeiterInnen wird auf 5.000 geschätzt (davon wurden etwa 1500 ohne Prozess erschossen). 25.000 Menschen wurden festgenommen, 11.000 wurden zu Gefängnis oder Deportation in eine der überseeischen Kolonien verbannt. Im Dezember wurde Louis Napoleon Bonaparte zum Staatspräsidenten gewählt.

Am 3. März 1848 demonstrierten 5.000 ArbeiterInnen in Köln vor dem Rathaus, ihre Forderungen: Schutz der Arbeit und Erziehung der Kinder auf Staatskosten. Am 10. März wandten sich 20 000 ArbeiterInnen mit einer Bittschrift an den König in Berlin, sie wurden auseinandergeknüppelt, es gab einen Toten. 18. März griff das Volk in Berlin zu den Waffen, Zwei Schüsse von den königlichen Wachen waren der Auslöser, die Ursachen Deutschlands Börsenkrach, Fabrikschließungen, massenhafter Ruin der Handwerker und Arbeitslosigkeit. Forderungen: Abschaffung der Feudallasten, Enteignung der Junkergüter, Verstaatlichung der Bergwerke, Verkehrsmittel und der Privatbanken, die Durchsetzung politischer Grundrechte, die allgemeine Volksbewaffnung und die Sicherung der revolutionären Errungenschaften. Nach achtzehnstündigem erbittertem Kampf kapitulierte der König.
MaschinenarbeiterInnen von Borsig hatten mit dem organisierten Kampf den Ausschlag gegeben. Höhepunkt des Kampfes um ein besseres Leben waren die im breiten Ausmaß organisierten Streiks der städtischen ArbeiterInnen von Ende März bis Ende Mai. Handwerksgesellens standen mit an der Spitze. Zentren dieser Streiks für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten waren Städte wie Berlin, Breslau, Frankfurt, Hamburg, München, Köln.

13. März 1848 brach die Bevölkerung von Wien die Macht des Fürsten Metternich, zwang ihn zur Flucht aus dem Land. Der Kaiser wurde gezwungen demokratische Forderungen nach Pressefreiheit, Volksbewaffnung und Verfassung zu erfüllen und liberale bürgerliche Minister einzusetzen. Die 72-Stunden-Woche war üblich, die tägliche Arbeitszeit dauerte oft von fünf Uhr morgens bis acht Uhr abends. Die Bezahlung war so miserabel, dass auch Frauen und Kinder arbeiten gehen mussten.
Erste kurzfristige Versuche der Grazer ArbeiterInnenschaft, sich zu organisieren, erfolgten während des Revolutionsjahres 1848. 

Die Mitglieder des Bundes der Kommunisten eilten bei Ausbruch der Revolutionen sofort zu den Brennpunkten. Marx und Engels gingen nach Köln.

Die ArbeiterInnen hatten einen großen Sprung nach vorn auf dem Weg zu einer selbständigen Klasse gemacht. Erstmals entstanden in Deutschland Gewerkvereine, daraus später nationale Gewerkschaftsverbände, zuerst der Buchdrucker und ZigarrenarbeiterInnen. Im August 1848 kam es in Berlin auf einem ArbeiterInnenkongress zu einer Vergemeinschaftung der ArbeiterInnen auf gesamtnationaler Ebene, erstmals wurden Bande zwischen den zahlreichen lokalen ArbeiterInnenvereine geknüpft.

Marx und Engels konnten ab 1. Juni 1848 legal die „Neue Rheinische Zeitung“ herausgeben – die klarste, radikal-demokratische Zeitung. Am 19. Mai 1849 musste ihr Erscheinen aber wieder eingestellt werden. Preußische Truppen (General Wrangel) besetzten im Herbst 1848 wieder Berlin, Vereine wurden aufgelöst, Zeitungen verboten.

Zwar hatten die demokratischen Kräfte eine Niederlage erlitten, aber die Revolution war ein wichtiges Ereignis: Erstmals traten breite Schichten des der Bevölkerung gegen das feudale System auf. Die Revolutionsperiode1848/49 hinterließ in allen europäischen Ländern Ansätze der werdenden ArbeiterInnenbewegung, also der organisierten, die an der Seite kleinbürgerlicher revolutionär-demokratischer Bestrebungen mit dem Ziel des demokratischen Wahlrechts und zur Verteidigung ihrer eigenen sozialen Interessen aufgetreten ist. Sie war dabei unübersehbarer Vorkämpfer für Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt.

Marx analysierte, dass die unmittelbare sozialistische Revolution nicht auf der Tagesordnung stand sondern erst die bürgerliche Demokratie. Er prognostizierte, dass eine neue Revolution erst im Gefolge einer neuen Krise geben würde. 1857 brach tatsächlich eine neue Krise aus, aber – wie wir wissen – auf die Rezession folgte keine Revolution.

In „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ 1859 schloss Marx aus diesen Ereignissen: „Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind.“

Zwar siegte die Konterrevolution, doch das restaurierte konterrevolutionäre Regime konnte nicht mehr so auftreten wie zuvor. Überall wurde der Bourgeoisie, nicht aber den ArbeiterInnen, ein minimales Mitregierungsrecht eingeräumt.

Es gab aber erbitterte Versuche, den Vormarsch der ArbeiterInnenbewegung mit allen Mitteln aufzuhalten, indem man sie ihrer revolutionären Partei beraubte. Der Kölner Kommunistenprozeß im Jahre 1852 war der erste großangelegte Versuch der herrschenden Klassen, die revolutionäre ArbeiterInnenbewegung mittels Polizei- und Justizterror aus dem politischen Leben auszuschalten. 1854 wurden im Deutschen Bund alle ArbeiterInnenorganisationen verboten, formell bis 1866. Es waren ja vor 1848 kleine Kader, die man leicht liquidieren konnte. Die bürgerlichen Organisationen waren nicht so getroffen von der Zerstörung, mit Ausnahme der radikal-demokratischen.

Im Ergebnis geht der nun staatenlose Marx nach London. In den Emigrationsjahren ging es ihm schlecht, sowohl finanziell als auch gesundheitlich. Dort schrieb er das Werk „Die Klassenkämpfe in Frankreich“ als Artikelserie für die „Neue Rheinisch Zeitung. Politökonomische Revue“, die er 1950 gegründet hatte. Er schrieb für die Chartistenpresse in England, für die New York Daily Tribune, die Wiener Presse und nahm seine Studien wieder auf.

Deutschland verdoppelte seine Produktion innnerhalb von 10 Jahren, aus dem Agrarland wurde es zum Industrieland, die  LohnarbeiterInnenzahl stieg von 1849 bis 1861 um 120 Prozent. Die Lage der ArbeiterInnen blieb elend, die Arbeitszeit betrug bis zu 14 Stunden, der Lohn reichte nicht, deswegen war Frauen- und Kinderarbeit überlebensnotwendig, die Gesundheit war erschreckend.

Von 1852 bis 1859 gab es in Deutschland über 100 Streiks. Trotz Repression ließ sich der Zusammenschluss der ArbeiterInnenvereine nicht aufhalten – von 1850 bis 1859 gab es 826, wenn sie auch offiziell Unterstützungskassen oder Wanderunterstützungsvereine hießen. 1863 hatten sich 100 Arbeiterbildungsvereine gebildet. 1863/64 entstand der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein. Doch erst mit dem Vereins- und Versammlungsrecht 1867 war der ArbeiterInnenbewegung ein legales Mittel zur Durchsetzung ihrer Forderungen in die Hand gegeben. Mit Unterstützung von sozial gesinnten Intellektuellen artikulierten und organisierten sich die ArbeiterInnen.

In Österreich mussten um diese Zeit die Tramwayfahrer bis zu 19 Stunden arbeiten und es kam vor, dass Lehrlinge bis zu 24 Stunden in der Wirtsstube stehen mussten.

Schauen wir kurz nach Australien: dort forderten die ArbeiterInnen der britischen Kolonie Viktoria am 21. April 1856 den Acht-Stunden-Tag. Nach neun Tagen Arbeitskampf feierten die ArbeiterInnen am 1. Mai ihren Sieg. Auch in den USA hatte sich die ArbeiterInnenbewegung entwickelt. Seit 1865 stand auch dort die Forderung nach dem Acht-Stunden-Tag im Mittelpunkt.

Marx schrieb in dieser Zeit seine ökonomische Hauptwerke. Als erste systematische Darstellung der marxschen ökonomischen Grundgedanken erschien 1859 „Zur Kritik der politischen Ökonomie“, 1865 „Lohn Preis und Profit“ und 1867 erschien der erste der drei Bände seines Hauptwerks „Das Kapital“.

Die europäische ArbeiterInnenbewegung wuchs, verstärkt gab es das Bedürfnis nach internationaler Solidarität, und so wurden 1862 bei der Weltausstellung in London Fäden geknüpft. Die daraufhin am 28. Sept. 1864 in London gegründete „Internationale Arbeiterassoziation“ war die erste umfassende internationale Organisation der ArbeiterInnengesellschaften, des Proletariats, bekannt unter dem Namen „Erste Internationale“. Marx war ihr führender Kopf. Sie war nicht sein Geschöpf. Marx reagierte auf die Bitten von Londoner GewerkschafterInnen. Er arbeitete aber Programm und Statut aus, hielt Vorträge über ökonomische Probleme, wie die Verkürzung der Arbeitszeit, Grundeigentum u.a. Bekannt wurde sein Vortrag über „Lohn, Preis, Profit“, der erst später veröffentlicht wurde. Der Vortrag war 1865 notwendig geworden, weil John Weston, ein neues Mitglied, die Ansicht vertrat, eine allgemeine Erhöhung des Arbeitslohnes nütze den ArbeiterInnen nichts, daher sie die Gewerkschaft schädlich und ihr Kampf zwecklos.  

Es war Marx, der sich nicht erst im Rahmen des Genfer Kongresses der Internationalen Arbeiterassoziation 1866 für die Einführung des Acht-Stunden-Tags ins Zeug legte – und damit das Fundament für die 1.-Mai-Demonstrationen schuf, die mit dieser Kernforderung zwei Jahrzehnte später Kapitalisten in vielen Ländern das Fürchten lehrten. Er polemisierte gegen deren „Werwolfs-Heißhunger nach Mehrarbeit“, kämpfte in Gremien von ArbeiterInnenorganisationen entschieden für die Beschränkung des Arbeitstags: „Denn von der Zeit hängt es ab, ob die Gesellschaft die Zeit hat, sich menschlich auszubilden.

Die Regierung aus ÖVP und FPÖ möchte bis zum Sommer ein Gesetz auf den Weg bringen, um den Zwölfstundentag und die 60-Stundenwoche wieder zu ermöglichen. Ihrem Klassenauftrag wird die rechte Regierung damit in gerecht. Heute wie damals also: höchste Zeit für entschlossenen, organisierten Widerstand!. Im Zeichen neoliberaler Umverteilung von unten nach oben sinken die Lohnquoten, wird die Arbeitszeit über die Flexibilisierung verlängert, steigen die Profite – verschärft sich die Ausbeutung permanent. 

72 Tage Pariser Kommune vom 18. bis 28. Mai 1871

Die „Internationale Arbeiterorganisation“ (IAA), fand auch in der französischen Arbeiterschaft starken Widerhall. Aber ihr Einfluss auf das französische Proletariat blieb relativ gering, da die Regierung die Organisation in wesentlichen Teilen zerschlagen konnte. Bestimmend blieben die Blanquisten, die die Organisation revolutionärer Massen ablehnten und mit kleinen bewaffneten Organisationen die politische Macht erobern wollten, die Proudhonisten, die den Sturz des Großkapitals, nicht den Sturz der kapitalistischen Ordnung anstrebten und das erneuerte Jakobinertum. So fehlte der französischen Arbeiterklasse für den Kampf gegen die Bourgeoisie die Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus.

Trotzdem entstanden in Paris während der letzten Jahre des Kaisertums revolutionäre Bewegungen, da öffentliche Versammlungen erlaubt waren. Den verschiedenen revolutionären Gruppen gelangen tausende von öffentlichen Versammlungen zwischen 1868 und 1870.

Dann erklärte Napoleon III 1870 Preußen den Krieg. Hintergrund war der drohende Staatsbankrott und die Unzufriedenheit großer Teile der Bevölkerung. Marx analysierte, dass auswärtige Raubzüge die vorhandenen inneren Widersprüche nicht verdecken könnten.

Nach der verlorenen Schlacht von Sedan erzwang am 4. September die Bevölkerung von Paris die Ausrufung der Dritten französischen Republik. Aus dem Verteidigungskrieg des deutschen Volkes wurde damit ein Raubkrieg der deutschen Bourgeoisie gegen die französische Republik. Die Regierung wollte das Proletariat nicht bewaffnen, was zur Verteidigung von Paris nötig gewesen wäre. Den Arbeitern gelang es, 200 Bataillone der Nationalgarde zu bewaffnen, nachdem die deutschen Truppen am 19. Dezember begonnen hatten, Paris zu belagern. Die 150.000 Mann starke Nationalgarde war in der Arbeiterbevölkerung verwurzelt, demokratisch organisiert. Ein Zentralkomitee wurde gebildet.

Am 28. Jänner unterzeichnete Adolphe Thiers, der sich zum Erzreaktionär entwickelt hatte, den Waffenstillstand, ließ die rückständigen Mieten eintreiben und forderte die Einlösung von Wechseln. Es kam es zum Ruin vieler Kaufleute und Handwerker und zu großer Arbeitslosigkeit. Thiers vorrangiges Ziel war es, die Nationalgarde zu entwaffnen. Das wurde am 18. März versucht, als eine Abteilung der Versailler Regierungstruppen in Paris überraschend einmarschierte und Kanonen fortschaffen wollte. Arbeiterfrauen schlugen Alarm. Sie konnten erreichen, dass ein Teil der Armee sich mit der Kommune solidarisierte und überlief. Die Truppen stießen auf heftigen Widerstand, Regierung und Klerus flohen nach Versailles. Die Nationalgarde besetzte alle Regierungs- und Verwaltungsgebäude.

„Am Morgen des 18. März 1871 wurde Paris geweckt durch den Donnerruf: ‚Es lebe die Kommune!‘“, schrieb Marx in „Der Bürgerkrieg in Frankreich“ und: „Die ruhmvolle Arbeiterrevolution nahm unbestritten Besitz von Paris. Das Zentralkomitee war ihre provisorische Regierung“. Das Zentralkomitee der Nationalgarde hob den über Paris verhängten Belagerungszustand auf, schaffte die Militärgerichte ab und verkündete eine Amnestie für alle politischen Gefangenen. Marx zitiert aus ihrem Manifest vom 18. März: „Die Proletarier von Paris ... haben begriffen, dass die Stunde geschlagen hat, ... dass sie die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in ihre eignen Hände nehmen ... Sie haben begriffen, dass es ihre höchste Pflicht und ihr absolutes Recht ist, sich zu Herren ihrer eignen Geschicke zu machen und die Regierungsgewalt zu ergreifen.“

Das Zentralkomitee leitete sofort Wahlen für die Kommune ein. Am 26. März war die überwiegende Mehrheit der gewählten Arbeiter und Angehörige des revolutionär-demokratischen Kleinbürgertums, Handwerker, kleine Ladenbesitzer, Angestellte, Schriftsteller, Lehrer. Am 28. März wurde unter dem Jubel von 200.000 Versammelten vor dem Rathaus die Pariser Kommune ausgerufen. Das ZK der Nationalgarde übergab seine Macht dem gewählten Kommunerat, blieb aber daneben weiterbestehen.

Dekrete der Kommune waren:

  • Das stehende Heer wurde abgeschafft und durch die allgemeine Volksbewaffnung ersetzt
  • Die Polizei wurde aufgelöst, ihre Aufgaben von der Nationalgarde übernommen
  • Alle Organe und beamtete Personen unterlagen der Wählbarkeit, Verantwortlichkeit und jederzeitiger Absetzbarkeit
  • Erlass der Wechselschulden für die Bevölkerung
  • Pfänder in Leihhäusern wurden unentgeltlich zurückgegeben
  • Begrenzung der Regierungsgehälter auf den Lohn der Arbeiter
  • Stundung der Mieten
  • Zehn-Stunden-Arbeitstag
  • Politische und soziale Gleichberechtigung der Frau
  • Verbot von Glücksspielen
  • Betriebe und Werkstätten, deren Unternehmer und Besitzer aus Paris zu den Versaillern geflohen waren, wurden Arbeitergenossenschaften übergeben
  • Die Vermögen der Mitglieder der Thiers-Regierung, der Mitglieder der Versailler Nationalversammlung sowie die leer stehenden Wohnungen der aus Paris Geflüchteten wurden beschlagnahmt und Wohnungsbedürftigen zugewiesen.

Eine Hauptforderung der Frauen war es, die Vorherrschaft der Kirche abzuschütteln. Sie übernahmen die Neugestaltung des kostenlosen Erziehungswesens, mit Schulen, Kindergärten und einer Berufsausbildung für Frauen. Am 12. Mai 1871wurde die erste Industrieberufsschule für Mädchen eingerichtet.

Anfang April eröffnet die Versailler Regierung den militärischen Klassenkrieg gegen die Kommune, die preußisch-deutschen „Kriegsfeinde“ unterstützten sie in Klassensolidarität und ab Mitte April begann die eigentliche Offensive mit dem Bombardement der Stadt. Am 21. Mai drangen die Versailler in die Stadt ein, entfesselten trotz heldenhaftem Widerstand und Barrikadenbau ein brutales Blutbad und am 28. Mai ist der Vernichtungsfeldzug der herrschenden Klasse gegen die Kommune grausam beendet.

Im Herbst 1870 hatte Marx die Pariser Arbeiter gewarnt, die Regierung zu stürzen, aber nach der Märzrevolution 1871 gehörte er zu den begeistertsten Anhängern der Kommune. Das Bedeutsame der Pariser Kommune war, so Marx, dass sie den alten Staatsapparat zerschlug und neue, basisdemokratische Machtorgane schuf. Marx folgerte, dass die Fehler, die sich aus unzureichenden Erfahrungen der Kommunarden ergaben, vor allem darin bestanden, dass sie die Machtmittel der proletarischen Diktatur nicht konsequent anwendeten. Das äußerte sich u.a. im Verzicht auf den Feldzug gegen Versailles gleich nach der Machtergreifung in Paris und der Unantastbarkeit der Bank von Frankreich, in der drei Mrd. Francs lagerten.

Österreich – vornehmlich Deutsch-Österreich

In Österreich siegte die Konterrevolution zum Ende des Jahres 1848. Die Armeen des Fürsten Windischgrätz eroberten Wien und erstickten die ersten Gehversuche der österreichischen Arbeiter blutig. Der „Erste Wiener Allgemeine Arbeiterverein“ wurde aufgelöst, die Fabrikskassen überwacht, teilweise aufgelöst, Streik mit Haft bestraft.

Die Gründerzeit führte zu einer enormen Verteuerung der Lebenskosten, die Reallöhne sanken, Frauenlöhne lagen unter dem Existenzminimum. Die tägliche Arbeitszeit stieg bis auf 13 bis 14 Stunden. Die hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen in den Fabriken mit Dämpfen, Abgasen und Lärm führten zur Ausbreitung von Tuberkulose.

Die sozialen Spannungen stiegen. Es kam immer wieder zu kleineren Ausständen, vor allem in den böhmischen Industriegebieten. Anfang der 60er Jahre wurde in Wien versucht, wieder einen Arbeiterbildungsverein zu gründen – verboten. Ab 1861 wurden dennoch, meist auf zünftischer Basis, Arbeiterbildungsvereine gegründet. Um dem erwachenden Klassenbewusstsein der Arbeiter entgegen zu wirken, wurden stattdessen Selbsthilfe-Einrichtungen wie Konsum-, Kredit-, oder Rohstoffgenossenschaften vom liberalen Bürgertum entwickelt. Aber die fortgeschrittensten Arbeiter forderten Vereins-, Koalitions-, Versammlungs- und Pressefreiheit sowie das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht mit dem Ziel einer eigenständigen politischen Partei.

1867 musste die herrschende Klasse Zugeständnisse machen, das Vereins- und Versammlungsrecht trat in Kraft. Einen Monat später beteiligten sich 3.000 Arbeiter an der Gründung des branchenübergreifenden Wiener Arbeitervereins. Die Arbeiter hatten wieder eine legale Waffe für ihre Interessenvertretung. Gewerkschaften freilich waren noch verboten. 1868/69 kam es zu zahlreichen Streiks und Aktionen zur Erkämpfung des Koalitionsrechts. 1868 forderte der Wiener Arbeiterbildungsvereins die Einführung des Zehnstundentags, die Regierung lehnte ab. Die vom Verein gegründete Arbeiter-, Kranken-, Invaliden- und Unterstützungskasse aber wurde zum Vorbild der in den achtziger Jahren errichteten Pflichtkassen. Für Alter und Arbeitslosigkeit jedoch war kaum vorgesorgt.

1869 gab es die erste Massenaktion von 20.000 ArbeiterInnen in Wien. Sie forderten Koalitionsrecht, freies Vereins- und Versammlungsrecht, Pressefreiheit und ein allgemeines Wahlrecht. 1870 beschloss der Reichsrat unter diesem Druck das Koalitionsgesetz, das den Arbeitern die Bildung von politischen Vereinen und Gewerkschaften sowie Streiks erlaubte. Es war die Geburtsstunde von Gewerkschaften in Österreich.

Die Regierung rächte sich im Wiener Hochverratsprozess mir fünf bzw. sechs Jahren schweren Kerker gegen die führenden Köpfe, löste Vereine auf, musste aber aufgrund erneuter Straßenkundgebungen ihre Neukonstituierung schließlich doch genehmigen. Die nächste Regierung hatte 1871 eine Amnestie erlassen. Arbeiterbildungsvereine wurden in mehreren Städten gegründet, auch in Graz, Judenburg und Zeltweg. 1872 gab es bereits 59 Arbeiterbildungsvereine und 78 Gewerkschaftsvereine mit insgesamt 80.000 Mitgliedern. 1879 hatte der Arbeiterbildungsverein von Wien 35.000 Mitglieder.

Karl Marx urteilte über diese Periode auf dem IV. Allgemeinen Kongress der Internationalen Arbeiter-Assoziation in Basel: „Die Arbeiter Östreichs, besonders Wiens, nehmen bereits den Vordergrund ein, obgleich sie erst nach den Ereignissen von 1866 in die Bewegung eintraten. Sie sammelten sich sofort unter der Fahne des Sozialismus und der Internationalen, in welche sie massenhaft durch ihre Delegierten an dem neulichen Eisenacher Kongreß eintraten. Wenn irgendwo, hat die liberale Mittelklasse in Östreich ihre selbstischen Instinkte, ihre geistige Inferiorität und ihren kleinlichen Groll gegen die Arbeiterklasse zur Schau gestellt. Ihr Ministerium, welches das Reich zerrissen und bedroht sieht durch den Racen- und Nationalitätenkampf, verfolgt die Arbeiter, welche allein die Verbrüderung aller Racen und Nationalitäten proklamieren. Die Mittelklasse selbst, welche ihre neue Stellung nicht ihrem eigenen Heroismus, sondern ausschließlich den Unglücksfällen der östreichischen Armee verdankt, welche kaum imstande ist, wie sie selbst weiß, ihre neuen Errungenschaften wider die Angriffe der Dynastie, der Aristokratie und des Klerus zu verteidigen, diese Mittelklasse vergeudet nichtsdestoweniger ihre Kräfte in dem elenden Versuch, die Arbeiterklasse auszuschließen vom Recht der Koalition, der öffentlichen Meetings und der Presse“.

ArbeiterInnen und Kleingewerbetreibende waren die Hauptbetroffenen der Wirtschaftskrise, die dem Börsenkrach von 1873 („schwarzer Freitag“) folgte. Die Gründung einer selbständigen Arbeiterpartei stand auf der Tagesordnung. Aber die fehlende marxistische politische Klarheit unter den ArbeiterInnen und in ihrer Führung über die Notwendigkeit, sich von der Bevormundung und dem Einfluss der Bourgeoisie zu lösen, führte zu einem prinzipiellen Meinungsstreit zwischen Heinrich Oberwinder (1845–1914), der in der Arbeiterpartei nur eine Teilfraktion der liberalen Bewegung sah und Andreas Scheu (1844–1927), der einen proletarischen, wenn auch etwas engen Klassenstandpunkt vertrat. Damit näherte er sich Marx‘ Position an.

Die immens gewachsene Arbeitslosigkeit, die drastische Lohnsenkung, das Verlassen der Stadt vieler Arbeiter verschärfte die unklare schwierige Situation innerhalb der Arbeiter.

Im April 1874 fand in Neudörfl eine geheime Zusammenkunft von Vertretern der Arbeitervereine aus dem ganzen Habsburgerreich statt, allerdings ohne die Oberwinder-Fraktion. Im verabschiedeten Programm waren sowohl Tagesforderungen als auch das Endziel klar umrissen und bestätigte in der Nationalen Frage, die im Österreichischen Vielvölkerstaat eine große Rolle spielte, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und ihr brüderliches Zusammenwirken. Neudörfl war aber nur eine Episode. Es brauchte noch bis 1889 bis auf dem Hainfelder Parteitag 80 Delegierte mit 25 Gästen aus 13 Kronländern eine einheitliche schlagkräftige Sozialdemokratische Partei gründeten.

Marx starb davor, 1883 mit 64 Jahren. Engels sagte in der Trauerrede am Grab:
„Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte: […]; daß also die Produktion der unmittelbaren materiellen Lebensmittel und damit die jedesmalige ökonomische Entwicklungsstufe eines Volkes oder eines Zeitabschnitts die Grundlage bildet, aus der sich die Staatseinrichtungen, die Rechtsanschauungen, die Kunst und selbst die religiösen Vorstellungen der betreffenden Menschen entwickelt haben, und aus der sie daher auch erklärt werden müssen – nicht, wie bisher geschehen, umgekehrt.

Damit nicht genug. Marx entdeckte auch das spezielle Bewegungsgesetz der heutigen kapitalistischen Produktionsweise und der von ihr erzeugten bürgerlichen Gesellschaft. Mit der Entdeckung des Mehrwerts war hier plötzlich Licht geschaffen.“

Veröffentlicht: 1. August 2018