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KPÖ zum RH-Pflegebericht: Landesregierung blockierte jahrelang Lösung der Probleme!

LAbg. Murgg stellt Untersuchungsausschuss in den Raum

Ein vernichtendes Zeugnis stellt der Rechnungshof der Pflegepolitik des Landes aus. Kein Bundesland hat so viele private Heime wie die Steiermark, kein Land hat so hohe Pflegekosten. Der Regress als steirische Besonderheit gleicht also vor allem eine hausgemachte Finanzierungslücke aus. Die Vorwürfe sind so schwerwiegend, dass LAbg. Murgg den Kontrollausschuss zu einer Sondersitzung einberufen hat. Dieser wird am 15. April stattfinden.

Sollte eine Aufklärung der Geldverschwendung in dreistelliger Millionenhöhe nicht möglich sein, wird die KPÖ die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses beantragen. „Die Bevölkerung hat ein Recht zu erfahren, warum in der Steiermark die Gewinne privater, gewinnorientierter Heimbetreiber mit öffentlichem Geld subventioniert werden und gleichzeitig der Regress eingehoben wird. Alle anderen Bundesländer kommen ohne diese Angehörigensteuer aus“, betont Murgg.

Bereits veröffentlichte Stellen aus dem Rohbericht des Rechnungshofes ergeben folgendes Bild:
• Teure Projekte wurden ohne Strategie und Bedarfsermittlung gefördert;
• Die Kostensteigerungen fallen vor allem bei gewinnorientierten privaten Trägern (338 Mio. Euro, 70 % der Gesamtkosten) an, dort betragen sie 177 %. Bei öffentlichen und gemeinnützigen Trägern macht die Steigerung lediglich 58 % aus.
• In der Steiermark beträgt der Anteil privater Betreiber 60 %, das ist der österreichische Höchstwert. In Oberösterreich beträgt er 9 %.
• Die Kontrollen sind weiterhin mangelhaft.

Die KPÖ hat bereits im Jahr 2009 beantragt, aus dem System der gewinnorientierten Pflege auszusteigen. Der Landtag stimmte diesem Antrag damals mehrheitlich zu. Nun blockieren SPÖ, ÖVP und FPÖ gemeinsam eine Lösung der Pflegemisere und machen den privaten Betreiber und den hinter ihnen stehenden Fonds die Mauer. Nur ein Ausstieg aus der Profitorientierung in der Pflege, z.B. nach oberösterreichischem Beispiel, kann die Kosten dauerhaft verringern und das Pflegesystem in eine Richtung führen, die an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert ist.

Daten und Fakten zur steirischen Pflegemisere

 

LRH-Rohbericht Pflege – Folgeprüfung

 

 

Zuständigkeit

Stationäre Pflege

Mobile Pflege

Ab 2007

Flecker (A11)

Hirt (A8)

ab 22.9.2009

Schrittwieser (A11)

Vollath (A8)

Ab 5.11.2010

Edlinger-Ploder (A11)

Edlinger-Ploder (A8)

Ab 1.8.2012

Edlinger-Ploder (A8) [außer Kosten nach SHG]

Ab 11.3.2014

Drexler

 

Grundlagen:

Pflegebedürftige finanzieren selbst 50 % der Sachleistungen mit ihrem Einkommen/Pflegegeld. Bevor Unterstützung durch Länder/Gemeinden eintritt, wird fast vollständige Vermögensverwertung des Pflegebedürftigen gefordert. Seit 2011 werden Länder/Gemeinden durch Pflegefonds des Bundes unterstützt (befristet bis 2016). Aufteilung der Kosten: 2/3 Bund, 1/3 Länder und Gemeinden.

Steirischer Bedarfs- und Entwicklungsplan (StBEP)

LRH kritisierte schon 2002 und 2007:Vorgaben der 15a-Vereibarung wurden nicht erfüllt

  • Planungen der A11 ohne Rücksicht auf StBEP
  • Tatsächlicher und künftiger Bedarf nicht ermittelt, verlässliche Daten fehlen
  • Keine zentrale verantwortliche Stelle für Pflege
  • Keine Evaluierung des StBEP zwischen 1997 und 2010

 

Mängel des neuen StBEP 2011:

  • Keine Ermittlung des Personalbedarfs
  • 24h-Pflege nicht thematisiert
  • Maßnahmen in Mobiler Pflege und teilstationären Bereich nicht umgesetzt
  • Insgesamt keine nachhaltigen Planungsvorgaben

Case- und Caremanagement, Datenmanagement

  • Keine zentral koordinierte Abstimmung
  • Nicht feststellbar, ob oder von wem Leistungen angeboten wurden, bzw. wer zuständig ist
  • Keine Bedarfsermittlung bzw. Prüfung von Synergien
  • Pflegebedürftige bekommen keinen Überblick über Angebote
  • A11 hat über Jahre kein zuverlässiges Datenmanagement für Bericht/Dokumentation eingerichtet.

Mobile Betreuungs- und Pflegedienste

Leistung sozialer Dienste ist gem. § 16 SHG von einer zumutbaren Beitragsleistung des Klienten abhängig zu machen; es besteht kein Rechtsanspruch.

2004: Beschluss der Förderrichtlinien (Qualitätskriterien); 2006: erstmals Normkosten/Tarife je Berufsgruppe und Einsatzstunde ermittelt, die jährlich valorisiert wurden; 2013: Neukalkulation der Normkostensätze.

Normkosten werden finanziert von                        2012

  • Land (direkt an Träger)                                18,9 Mio (ca. 1/3 der Gesamtkosten)
  • Gemeinde (direkt an Träger)                          12,5 Mio
  • Klient (einkommensabhängiger Selbstbehalt)     19,6 Mio
  • Sozialversicherung (Hauskrankenpflege)           ca. 1,5 Mio

Betreutes Wohnen

LRH kritisierte/ forderte 2007:

  • Keine Übersicht über alternative Wohnformen in der Steiermark vorliegend
  • Betreutes Wohnen soll in PHG eingebunden werden

 

LRH Prüfung 2014:

  • Bewilligungen und Förderungen für betreute Wohneinheiten wurden ohne zentralen Bedarfsplan erteilt
  • Übersicht über bestehende Einrichtungen wurde erst von A8 vorgelegt

Stationäre Betreuung

Finanzierung

76 % der Kosten werden von Sozialhilfeträgern finanziert. Der Finanzierungsanteil der Selbstzahler liegt bei 19 %; sie trifft das Tarifmodell des Landes ebenso. Die Gesamtausgaben für die stationäre Betreuung werden zu 60 % vom Land und zu 40 % von den Gemeinden/SHV getragen. Diese Ausgaben sind von 2005 (180 Mio) bis 2013 (383 Mio) um 112 % gestiegen.

2013 wurden vom Sozialbudget des Landes und der Gemeinden rund 383 Mio für stationäre Pflege aufgewendet (Anteil des Landes 2013: 234 Mio). Den größten Anteil erhielten mit 267 Mio die Betreiber von privaten PH (70 %). Diese Kosten sind von 05 – 13 um 177 % gestiegen!

Die Ausgaben für eigene PH betrug nur 71 Mio (18 %). Der Anstieg betrug nur 58 %.

 

Die Bettenzahl hat sich zwischen 05 – 13 um 31 % erhöht, wobei der Bettenausbau vor allem bei den Privaten erfolgte. Der Kostensteigerung von 112 % steht eine Einnahmenerhöhung um 89 % gegenüber. Einnahmen aus dem Regress betrugen 2012 11,1 Mio (6 % der Einnahmen, bzw. 2,8 % der Ausgaben). Die Nettoausgaben des Landes sind nach Einführung des Regresses 2012 um 5 % gesunken, aber schon 2013 wieder um 3 % angestiegen.

 

Dämpfungseffekt durch den Regress in Zahlen: Die Nettoausgaben des Landes haben sich von 121 Mio 2011 auf 119 Mio 2013 um gerade 2 Mio verringert!

 

 

 

Private Heime als Kostentreiber

Da das Datenmaterial der A11 mangelhaft ist, verwendet der LRH Daten der Statistik Austria (2010):

 

 

Pflegeeinrichtungen gesamt

Private Einheiten

Plätze gesamt

PH-Plätze gesamt

Steiermark

203

146 (72 %)

11.933

7.348

136

12 (9 %)

13.392

6.690

110

38

11.624

9.489

LR Drexler: „OÖ liegt bei annähernd gleicher Klientenzahl kostenmäßig 80 % darunter“

 

In der Stmk. gibt es die meisten PH und die meisten privaten PH (146) in Österreich (391). In der Stmk. waren 2010 72 % der PH privat geführt; 2013 erhöhte sich die Zahl der privaten PH auf 160 bei gesamt 212 PH und damit auf 75 %! Davon waren 127 gewinnorientiert.

Kontrolle

LRH kritisiert, dass sich das Land nicht die Vorlage der Jahresabschlüsse ausbedungen hat, um die Forderungen der Betreiber zu verifizieren. Auch ein Kontrollvorbehalt für die Prüfung durch den LRH fehlt!

Die Bewilligung und Kontrolle wurde vom Land an die BVB übertragen und hat dazu in Erlässen die BVB angewiesen: „Kontrollen mangels Personalressourcen nicht möglich“; „wurden angewiesen die gesetzlichen Bestimmungen des PHG zurückhaltend zu interpretieren“; Zivildiener dürften im Bereich der Pflege beschäftigt werden und sind auch bei der Berechnung des Personalschlüssel zu berücksichtigen, dies widerspricht der PersonalausstattungsVO!

Personal

Die PersonalschlüsselVO beruht auf einer 40h-Woche. Der BAGS-KV beruht aber auf einer 38h-Woche. Eine Neuberechnung der VO wurde nicht durchgeführt. 2011 waren in steirischen PH 3.774 VZÄ und in der mobilen Pflege 943 VZÄ beschäftigt. Der Bedarf an Pflegepersonal wird in den nächsten Jahren massiv steigen.

  • LRH kritisiert, dass im StBEP 2011 das künftig erforderliche Personal nicht enthalten ist.
  • Es gibt keine Gesamtübersicht über den Bedarf und die Ausbildung des Pflegepersonals über alle Versorgungsformen.
  • Es gibt keine Erfassung, wie viele Klienten die 24h-Pflege beanspruchen. Auch dieser Bereich wäre in die Berechnung des Personalbedarfs einzurechnen.
  • Eine zentrale abteilungsübergreifende bedarfsorientierte Steuerung und Genehmigung aller Ausbildungseinrichtung erfolgte nicht.
  • Die letzte Bedarfsberechnung erfolgte 2006.

Schlussforderungen der KPÖ

  • Pflegeschlüssel verbessern
  • Ausstieg aus System, das auf gewinnorientierten Betreibern beruht – laut Mehrheitsbeschluss im Landtag 2009. Umsetzung wurde blockiert, Probleme wären im Falle einer Umsetzung heute deutlich geringer. Weg von Gewinnorientierung!
  • Kontrollen verbessern
  • Mobile Dienste müssen für Pflegebedürftige billiger werden, derzeit liegen Kosten teilweise über den Kosten einer stationären Betreuung.

4. April 2014