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KPÖ zeigt gravierende Lücken bei Mindestsicherung auf

Klimt-Weithaler: Keine Benachteiligung von kinderreicher Familien und Alleinerzieherinnen!

Die Klubobfrau des KPÖ Landtagsklubs, Claudia Klimt-Weithaler, erklärte, dass die KPÖ der Mindestsicherung in der vorliegenden Form nicht zustimmen wird: „Die nun bekannt gewordenen Details zeigen, dass es für kinderreiche Familien, Alleinerzieherinnen und Menschen mit niedrigem Einkommen sogar zu einer eklatanten Schlechterstellung kommt."

Klimt-Weithaler wies darauf hin, dass der zuständige Landesrat LH-Stv. Schrittwieser und seine MitarbeiterInnen, im Vorfeld die Forderungen der KPÖ zur Umsetzung der Mindestsicherung intensiv mit ihr diskutiert hätten.

Zur Position der KPÖ bei der Ausgestaltung der Mindestsicherung meint sie: „Wir haben klargestellt, dass die KPÖ selbstverständlich für die Einführung einer Mindestsicherung ist, die diesen Namen auch verdient.  Die Novellierung des Sozialhilfegesetzes sollte auch zum Anlass genommen werden, bestehende Probleme zu beseitigen. Wir sind daher der Ansicht, dass folgende Punkte im steirischen Gesetzesentwurf Berücksichtigung finden müssen:

  • Mindestsicherung 14 Mal pro Jahr
  • keine Verschlechterung für Menschen, die in Wohngemeinschaften leben
  • keine Verschlechterung beim Richtsatz für Kinder - derzeit € 22,6 % vom ASVG-Richtsatz; dieser Prozentsatz soll weiter angewendet werden
  • keine Verschlechterung ab dem 4. Kind
  • Verpflichtung zur Unterhaltsklage gegen geschiedenen Ehegatten nur bei bestehendem Unterhaltstitel, keine Klage bei "gegenseitigem Unterhaltsverzicht auch in Zeiten der Not"
  • Verpflichtung zur Unterhaltsklage nur bei minderjährigen Kindern gegen deren Eltern

Verschlechterungen bei Einführung der Mindestsicherung

In der Diskussion um die bedarfsorientierte Mindestsicherung wird häufig auf das so genannte Verschlechterungsverbotverwiesen, nachdem BezieherInnen der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht schlechter gestellt werden dürfen als sie in der zurzeit geltenden Sozialhilfe des jeweiligen Bundeslandes wären.

Trotzdem würden große Gruppen von Betroffenen künftig weniger erhalten als sie in der Vergangenheit erhalten haben. Um dies zu illustrieren, hat die KPÖ für mehrere konkrete Fälle die im Rahmen ihrer Sozialberatung aufgetreten sind, und ein fiktives Beispiel den momentanen Sozialhilfeanspruch und die in Zukunft aus der Mindestsicherung ausgezahlten Beträge gegenübergestellt. Mehrkindfamilien, alleinerziehende Mütter und Menschen die in Wohngemeinschaften teilweise große VerliererInnen, und müssen Ausfälle von mehreren hundert Euro gewärtigen, was für ohnehin schon arme Menschen eine gewaltige Belastung darstellt. Davon abgesehen sind die neuen Regelungen starrer und unflexibler, was es bei plötzlich auftretenden Krisen im Gegensatz zur jetzigen Rechtslage unmöglich macht, in Not geratenen Menschen rasch zu helfen.

Wie ist das möglich?

Im Originaltext der Art. 15a Vereinbarung (Art. 2 Abs 4, letzter Satz) liest sich das Verschlechterungsverbot folgendermaßen:

„Das derzeit bestehende haushaltsbezogene Leistungsniveau darf durch die in Umsetzung dieser Vereinbarung erlassenen Regelungen nicht verschlechtert werden.“

 

Wie diese Bestimmung genau zu verstehen ist, wird in den Erläuterungen zur 15a-Vereinbarung erklärt:

 

„In Abs. 4 dritter Satz wird schließlich noch der Grundsatz eines „Verschlechterungsverbotes“ statuiert,

demzufolge das bisherige haushaltsbezogene Leistungsniveau durch die in Umsetzung dieser Vereinbarung zu erlassenen Regelungen nicht verschlechtert werden darf. Da diese vielfach zu Systemumstellungen führen werden, haben die Vertragsparteien durch geeignete Rechtsvorschriften und Maßnahmen sicherzustellen, dass sich das jeweilige haushaltsbezogene Leistungsniveau zur Deckung der Bedarfe nach Art. 3 in Summe insgesamt nicht verringert. Die Verankerung des Verschlechterungsverbotes als allgemeiner Grundsatz soll überdies unterstreichen, dass weder systematisch noch im Einzelfall Parallelrechnungen zwischen alter und´neuer Rechtslage angestellt werden müssen oder Einzelpersonen dahingehend ein Recht ableiten können.“

 

Dies bedeutet also, dass die Bundesländer von vorneherein ihre Sozialhilfegesetze so gestalten müssen, dass die Betroffenen nicht durch die neuen Regelungen schlechter gestellt werden. Ein/e Betroffene/r, der/die weniger Mindestsicherung bekommt als er/sie Sozialhilfe bekommen hat, kann die Differenz nicht unter Rekurs auf das Verschlechterungsverbot einklagen. Es werden bei NeuantragstellerInnen keine Parallelrechnungen angestellt die zeigen, ob das jetzt geltende Sozialhilfegesetz einen höheren Anspruch ergeben hätte.

Was bedeutet dies für die Steiermark? Hat die Steiermark in dem Entwurf des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes, dass der Nachfolger des geltenden Sozialhilfegesetzes werden soll, das Verschlechterungsverbot umfassend umgesetzt? Die Antwort ist: Nein!

In den Erläuterungen wird zwar Bezug darauf genommen, dass eine lediglich zwölfmalige Auszahlung der Mindeststandards der Verpflichtung zur Erreichung des Leistungsniveaus der bisherigen Sozialhilfe nicht entsprechen würde, weshalb nur eine vierzehnmalige Auszahlung verankert ist. Aber eine systematische Anpassung der Beitragssätze sodass keine Härten auftreten ist nicht erfolgt. Auch ist das Verschlechterungsverbot im Gesetz selbst nicht verankert.

Fallbeispiele für Verschlechterungen

Drei reale und ein fiktives Beispiel

Familie 1

 

Ein Ehepaar lebt gemeinsam mit 6 Kindern in einem privat gemieteten Haus, für welches Miete in der Höhe von € 1.308,77 zu bezahlen ist, die Wohnbeihilfe beträgt € 421,--, der Eigenanteil an Miete somit € 887,77.

 

Der Mann arbeitet und verdient monatlich € 1.370,79. Die Frau arbeitet als Hausfrau und Mutter und hat kein Einkommen. Es wird Sozialhilfe in folgender Höhe bezogen:

 

           500,--   Lebensbedarf Hauptunterstützter

           334,--   Lebensbedarf Mitunterstützter

        1.014,--   Lebensbedarf für 6 minderjährige Kinder (6 mal 169)

           624,58  vertretbarer Aufwand für Unterkunft

        2.472,58  Sozialhilferichtsatz minus eigenes Einkommen

        1.611,62  Gehalt des Mannes

          860,96  monatliche Sozialhilfe derzeit

 

 

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

 

             558,--    Mindestsicherung 1. Erwachsener

             558,--    Mindestsicherung 2. Erwachsener

             402,--    Mindestsicherung für die ersten 3 Kinder (18 % von 744 mal 3)

             334,80   Mindestsicherung für die nächsten 3 Kinder (15 % von 744 mal 3)

      1.852,80      Mindestsicherung für die gesamte Familie minus eigenes Einkommen

      1.611,62 Gehalt des Mannes

             241,18 Mindestsicherung

 

             860,96 derzeitige Sozialhilfe

             241,18 zukünftige Mindestsicherung

             619,78 verliert die Familie monatlich nach Einführung der Mindestsicherung


 

Familie 2

 

Eine alleinerziehende Mutter lebt mit ihren beiden Töchtern in einer Wohnung, für welche sie Miete in der Höhe von € 542,91 bezahlt. Sie bezieht Wohnbeihilfe in der Höhe von € 257,77, d.h. ihr Eigenanteil an Miete beträgt € 285,14. Für die Kinder werden Alimente vom Kindesvater in der Höhe von insgesmat € 233,-- bezahlt. Die Frau arbeitet halbtägig beschäftigt als Aufräumerin und verdient monatlich € 492,75. Es wird Sozialhilfe in folgender Höhe bezogen:

 

             500,--   Lebensbedarf Hauptunterstützte

             338,--   Lebensbedarf für 2 Kinder

             285,14  Eigenanteil an Miete (Miete € 542,91 minus Wohnbeihilfe € 257,77)

       1.123,14 Sozialhilferichtsatz minus eigenes Einkommen

             492,75  Gehalt für 20 h-Woche

             233,--   Alimente für 2 Kinder (€ 93,-- Kind 1, € 140,-- Kind 2)

             397,39 monatliche Sozialhilfe derzeit

 

 

 

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

 

             744,--    Mindestsicherung Alleinerzieherin

             268,--    Mindestsicherung 2 Kinder

       1.012,--      Richtsatz Mindestsicherung minus eigenes Einkommen

             492,75   Gehalt

             233,--    Alimente für 2 Kinder

             286,25   Mindestsicherung

 

 

             397,39   derzeitige Sozialhilfe

             286,25   Mindestsicherung

             111,14   verliert die alleinerziehende Mutter monatlich nach Einführung der Mindestsicherung.

 

 

Familie 3

 

Eine geschiedene Frau bewohnt alleine eine kleine Wohnung, für welche sie Miete in der Höhe von € 516,18 zu bezahlen hat. Sie kann keine Wohnbeihilfe beziehen, der Quadratmeterpreis ist zu hoch. Ein Antrag auf Gemeindewohnung wurde gestellt, die Wartezeit beträgt ca. 9 Monate. Die Frau ist arbeitslos und bezieht eine Notstandshilfe in der Höhe von € 15,92 täglich. Es wird Sozialhilfe in folgender Höhe bezogen:

 

             548,--    Lebensbedarf Hauptunterstützte

             370,--    tatsächlich vertretbarer Aufwand für Unterkunft

             918,--    Sozialhilferichtsatz minus eigenes Einkommen

             484,23   Notstandshilfe (15,92 x 365 : 12)

             433,77 monatliche Sozialhilfe derzeit

 

 

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

 

             744,--    Mindestsicherung Alleinstehende minus eigenes Einkommen

             484,23   Notstandshilfe

             259,77   Mindestsicherung

 

 

             433,77   derzeitige Sozialhilfe

             259,77   Mindestsicherung

             174,--    verliert die alleinstehende Frau monatlich nach Einführung der Mindestsicherung.


 

Familie 4

 

Zwei Frauen, die sich nach gewalttätigen Beziehungen im Frauenhaus kennengelernt haben, beschließen nach Auszug aus dem Frauenhaus, um Mietkosten zu sparen, gemeinsam in einer Wohnung zu leben. Eine der beiden Frauen geht arbeiten und hat ein Einkommen. Die andere Frau hat kein Einkommen und bezieht Sozialhilfe. Die Miete beträgt € 430, monatlich, d.h. jede der beiden Frauen muss monatlich € 215,-- an Miete bezahlen. Die Frau ohne Einkommen bezieht derzeit Sozialhilfe in folgender Höhe:

 

             500,--    Lebensbedarf Hauptunterstützte

             215,--    vertretbarer Aufwand für Unterkunft

             715,--    Sozialhilferichtsatz minus eigenes Einkommen

                 0,-- Es gibt kein Einkommen

             715,--    monatliche Sozialhilfe derzeit

 

 

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

 

             558,--    Mindestsicherung 75 % von € 744,-- minus eigenes Einkommen

                0,--     Es gibt kein Einkommen

             558,--    Mindestsicherung

 

 

             715,--    derzeitige Sozialhilfe

             558,--    Mindestsicherung

             157,---   verliert die Frau monatlich nach Einführung der Mindestsicherung.

 

Achtung: Dieses Beispiel beruht im Gegensatz zu den Fällen 1-3 nicht auf einem konkreten Fall, sondern beschreibt ein fiktives Szenario.

22. März 2010