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Ein großer Vertreter der Arbeiterbewegung ist nicht mehr

KPÖ trauert um Karl Russheim

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Die Verabschiedung findet am Mittwoch, 04. April, 14.00 Uhr am Friedhof Trofaiach statt.

Die KPÖ trauert um einen Helden der Arbeiterbewegung und Träger des Goldenen Ehrenzeichens der Republik Österreich.

Karl Russheim wurde 86 Jahre alt. Sein Lebensweg führte den einfachen Arbeiter in höchste politische Ämter. Nach einer Friseurlehre verschlug es ihn in das Hüttenwerk Donawitz, wo er schnell mit kommunistischen Betriebsräten in Kontakt kam. 1950 beteiligte er sich am Oktoberstreik und wurde deshalb entlassen. Bald danach trat er der KPÖ bei. Nach Stationen bei der Demokratischen Vereinigung Kinderland und in der Zellulosefabrik Hinterberg konnte er in das Donawitzer Hüttenwerk zurückkehren und wurde bereits 1956 zum Betriebsrat gewählt. Hier wurde er über Jahrzehnte zum „Motor“ der Betriebsorganisation. In Donawitz wurden sozialpolitische Initiativen entwickelt, die später für ganz Österreich Bedeutung hatten. Karl Russheim stieg bis in den Aufsichtsrat der Voest-Alpine auf und gehörte jahrzehntelang der Landesexekutive des ÖGB an. Er hatte die seltene Gabe, in einfachen Worten komplizierte gesellschaftliche Zusammenhänge zu erklären. Diese Fähigkeit führte ihn auch in die Arbeiterkammer Steiermark wo er lange Zeit der kommunistischen Fraktion vorstand. Seine vielfältigen politischen Funktionen trugen dazu bei, daß er sich weit über seine Gesinnungsgemeinschaft hinaus großes Ansehen erwerben konnte. Bereits im Ruhestand stellte er der Partei seine wertvolle Erfahrung als Gemeinderat in seiner Heimatgemeinde Trofaiach zur Verfügung.

Die KPÖ und der Gewerkschaftliche Linksblock verlieren mit Karl Russheim einen ihrer ganz großen Arbeiterfunktionäre. Unser Mitgefühl in diesen schwierigen Stunden gehört seiner Gattin Erika und seinem Sohn Karl.

Landesvorstand der steirischen KPÖ
KPÖ-Bezirksleitung Leoben
GLB Steiermark
KPÖ-Bundesvorstand

Trauerrede für Karl Russheim

Von DDr. Werner Anzenberger

Trauerrede für Karl Russheim
geb. 1931, am 4.4.2018

Sehr geehrte Trauergäste,
vor allem lieber Karl,

als ich noch regelmäßig in der Arbeiterkammer Leoben war, bist du oft zu mir in mein Büro gekommen auf einen kleinen Kaffee, um – wie du dies schon früher mit dem späteren Direktor Gernot Wolfsgruber oder dem Bereichsleiter Günter Pfeiffer getan hast - ein wenig über die Arbeiterbewegung im Allgemeinen und die Arbeiterkammer im Besonderen zu plaudern.

Es waren sehr gute Gespräche, lieber Karl, zwischen dem überzeugten Kommunisten auf der einen Seite und dem überzeugten Sozialdemokraten auf der anderen Seite, hin und wieder von scherzhaften Sticheleien, um nicht zu sagen freundschaftlichen Provokationen begleitet, aber immer wertschätzend und respektvoll. Da haben sich letztlich beachtlich große politische Schnittmengen ergeben zwischen uns, die uns wohl beide erfreut, aber auch ein wenig überrascht haben.

Schließlich haben wir beide, lieber Karl, sehr gut erkannt, dass die klassische Grenze unserer beiden politischen Kräfte zwischen Reformismus und Revolution dann obsolet wird, wenn die politische Großwetterlage ohnehin nur noch die rudimentäre Verteidigung der mühsam erstrittenen sozialen Rechte zulässt.

Deiner Arbeiterkammer, diesem demokratischen ArbeitnehmerInnenparlament mit ihrem öffentlichen Auftrag und ihrer umfassenden Expertise hast du dich, lieber Karl, im besonderen Maße verbunden gefühlt. Von 1967 bis 1986 warst du Kammerrat der Vollversammlung auf der Liste „Gewerkschaftliche Einheit“, seit 1974 – als die Unabhängigen Gewerkschafter sich abgespalten und schließlich bei den Grünen angedockt haben – auf der Liste des „Gewerkschaftlichen Linksblocks“.

Mit dir im Kammerparlament sind so prominente Mitstreiter gesessen wie Alfred Setscheny, er lange Jahre auch Präsident des steirischen KZ-Verbandes, oder Franz Voves von den Grazer Puch-Werken, Vater des späteren Landeshauptmanns.

Deine politischen Gegenüber bei der Fraktion sozialdemokratischer – damals noch sozialistischer – Gewerkschafter waren ein Siegfried Kokail, ein Alois Rechberger, ein Rudolf Sametz, bei den Konservativen ein Erich Amerer und die Abgeordneten aus dem Bezirk Leoben Siegmund Burger und Matthias Krempel.

Unter dem Präsidenten Eduard Schwarz bist du – als Franz Petz ausgeschieden war – erstmals angelobt worden und du warst es, lieber Karl, der als Fraktionsführer des Gewerkschaftlichen Linksblocks 1984 ausdrücklich und mit mehr als wertschätzenden Worten in der konstituierenden Vollversammlung der steirischen Kammer für die Wahl des Abgeordneten Franz Illeschitz zu dessen dritten Funktionsperiode als Präsident eingetreten bist.

Aber ich will, lieber Karl, bevor ich auf deine Schwerpunkte in der Interessenpolitik der Arbeiterkammer näher eingehe, ein wenig zurückblenden in deine frühe Jugend, die von Angst und Entbehrungen geprägt war und über die zu sprechen und diese schwierige Zeit nicht vergessen zu lassen dir bei deinen Besuchen ein besonderes Anliegen war.

13 Jahre warst du alt, als die überparteiliche, aber kommunistisch geprägte Partisanengruppe Leoben-Donawitz in die Berge ging, um mit der Waffe in der Hand gegen den nationalsozialistischen Terror und für ein freies und demokratisches Österreich zu kämpfen. Die Bewunderung für diese Widerstandskämpfer und vor allem auch die „Bodenorganisation“, die vielen Frauen und teilweise noch Kinder, die sie unterstützt haben und ihren Mut vielfach mit ihrer Gesundheit oder ihrem Leben bezahlt haben, haben wir beide uneingeschränkt geteilt. Wärst du etwas älter gewesen, lieber Karl, du wärst wohl dabei gewesen.

Und wir haben in unseren Gesprächen, lieber Karl, auch die Abscheu geteilt, vor einer immer noch oder schon wieder nationalsozialistisch durchsetzten Nachkriegsgesellschaft in Österreich, die diese mutigen Menschen als „Vaterlandsverräter“ vernadert und ihren Kopf, den Befreier des Hüttenwerks Donawitz und späteren Betriebsrat Sepp Filz aus der Obersteiermark ins niederösterreichische „Exil“ gedrängt hat.

Und ein 19jähriger, politisch bereits hellwacher Arbeiter warst du bereits, als Teile der Arbeiterschaft 1950 gegen das vierte Lohn-Preisabkommen der Regierung gestreikt haben. Oft haben wir, lieber Karl, über diesen Protest gesprochen, aber auch über deine Kränkung, - ja sagen wir es gerade heraus: Verletzung - als aufrechter Gewerkschafter, die ich immer sehr gut verstanden habe, weil der Streik wider besseren Wissens umgedeutet wurde in einen kommunistischen Putschversuch.

Das Buch von Peter Autengruber und Manfred Mugrauer hat nun endgültig mit diesem Märchen aufgeräumt, dir lieber Karl, dem kommunistischen Gewerkschafter, zur leisen Genugtuung, mir, dem sozialdemokratischen Gewerkschafter, zur leisen Beschämung.

Zurück aber, lieber Karl, zu deinem fast 20jährigen nachhaltigen Engagement in unserer gemeinsamen Organisation, der steirischen Arbeiterkammer. Den Titel Kammerrat hast du wahrlich zu Recht und mit Stolz getragen. Dein Fachbereich war die Wirtschafts- und Steuerpolitik, du warst ja auch langjähriges Mitglied des volkswirtschaftlichen Ausschusses der Kammer.

Als 1986 der Finanzminister Franz Vranitzky – noch im selben Jahr zum Kanzler aufgestiegen - ein Referat in der Vollversammlung der steirischen Arbeiterkammer gehalten hat, hast du dich, lieber Karl, als erster zu Wort gemeldet mit der Frage: „Wem, sehr geehrter Herr Minister, kommt denn der prognostizierte Aufschwung zugute? Die Arbeiter und Angestellten spüren davon nichts.“

Und du hast auch gleich an die Adresse des Finanzministers die Forderung einer umfassenden Lohnsteuerreform erhoben. Weil, wieder wörtlich: „Das Geld dafür ist sicher vorhanden.“ Du als Sozial- und Wirtschaftspolitiker hast eben sehr gut erkannt, dass soziale Gerechtigkeit untrennbar mit einer gerechten Verteilung des Vermögens und der Einkommen und damit auch der Steuerlast verbunden ist. Dein gewerkschaftlicher Linksblock mit dir und anderen an der Spitze haben 50.000 Unterschriften gesammelt, um der Einforderung einer gerechteren Steuerpolitik den nötigen Nachdruck zu verleihen.

Deine Kernkompetenz, - die du dir vor allem als langjähriger Betriebsrat in der Voest Alpine erworben hast – war freilich die verstaatlichte Industrie. Ebenfalls 1986 hast du in der Vollversammlung der Kammer eine Grundsatzrede gehalten und die wahre Ursache für die Misere der verstaatlichten Industriebetriebe darin ausgemacht, dass – wörtlich – „die Verstaatlichte ins Ausland gegangen sei und spekuliert habe.“

Und es war noch einmal 1986, im Jahr deines Ausscheidens, dass du, lieber Karl, in Leoben eine denkwürde Demonstration von 15.000 Menschen als maßgeblich Verantwortlicher des Gewerkschaftlichen Linksblocks in der Region mitgetragen und mitgeholfen hast, um die Verstaatlichte zu retten und Jörg Haiders Anmaßung entschieden entgegenzutreten, man müsse die „Rostlauben“ in Donawitz endlich zusperren.

Du hast immer wieder in unseren Gesprächen lobend hervorgehoben, dass die Gewerbetreibenden der Stadt gemeinsam mit den Arbeitern und Arbeiterinnen demonstriert haben, um einen desaströsen Kaufkraftverlust in der Region abzuwenden. Der Vorwurf, Gewerkschafter seien Klassenkämpfer, trifft bei dir also sicherlich nicht zu.

Und du, lieber Karl, warst im Übrigen allein schon deshalb kein Klassenkämpfer, weil dieses immer wieder strapazierte Wort vielerorts nur als Keule dient, um Menschen, die sich für einen angemessenen sozialen Ausgleich bemühen, mundtot zu machen.

Du hast, lieber Karl, - um langsam zum Schluss zu kommen – dich auch nach deiner Pensionierung immer noch für deine Mitmenschen eingesetzt. Wie oft warst du bei mir, um dir juristischen Rat für andere Menschen in deinem Umfeld zu holen oder hast eine Beratung oder Vertretung – oft auch in schwierigen sozialen Situationen – vermittelt.

Und wenn du einmal keinen kniffligen Problemfall deiner Schutzbefohlenen für mich in der Tasche hattest, so war bei deinen Besuchen, lieber Karl, immer ein Buch dabei, dass du mir mit eindringlichen Worten ganz besonders ans Herz gelegt hast.

Deine bevorzugten Autoren haben sich überwiegend mit ökonomischen und sozialen Problemen beschäftigt, die die Perspektive auch auf den außereuropäischen Bereich gelenkt haben. Eine gerechte menschenorientierte Gemeinwohlwirtschaft muss sich eben, wie du immer wieder betont hast, lieber Karl, auch auf afrikanische oder asiatische Länder erstrecken. Und da hast du immer unsere Verantwortung, die Verantwortung Europas – ganz auch in unserem Interesse – eingemahnt.

Ich habe diese vielen Bücher dann zumindest quergelesen, hab ich doch ganz genau gewusst, lieber Karl, dass du pünktlich und verlässlich zwei Wochen später auftauchen und mir das Examen abnehmen wirst. Und wehe, ich hab´s vermasselt.

Lieber Karl, du warst ein großartiger Mensch, deine steirische Arbeiterkammer und ich persönlich werden dich sehr vermissen.

Adieu!

17. Mai 2018