Hochverrat am Alpenstaat
Aufgedeckt: Was österreichische EU-Vertreter denken
Die Friedenswerkstatt Linz hat in der letzten Nummer der guernica aufgeckt, wie die FPÖ die Österreicherinnen und Österreicher hinters Licht führt.Immer wieder wird die FPÖ als EU-oppositionelle Kraft inszeniert. Die Freiheitliche wollen diesen Eindruck erwecken, um im Wählerteich der EU-Unzufriedenen zu fischen. SP- und Grün-Spitzenpolitiker nähren dieses Bild, um EU-Kritik im rechten Eck entsorgen zu können. Doch dieses Bild ist grundfalsch, wie ein Blick in die Gedankenwelt des freiheitlichen Spitzenkandidaten für das EU-Parlament, Andreas Mölzer, belegt.
Andreas Mölzer, nach Selbstdefinition ein „glühender Europäer“,
lässt keine Zweifel aufkommen, dass er für eine europäische Welt- und
Militärmacht eintritt: „Das Europa der Zukunft soll ein starker und
unabhängiger Faktor der Weltpolitik sein. Dieses Europa muss eine
unabhängige Weltmacht sein, das nicht nur die eigene Sicherheit und die
all seiner Mitglieder garantieren kann, sondern seine vitalen
Interessen auch weltweit zu vertreten und durchzusetzen weiß. Eine
gemeinsame Außenpolitik und eine gemeinsame Sicherheitspolitik sind
dafür die unabdingbaren Voraussetzungen. Eine starke europäische Armee
mit internationalen Eingreiftruppen, ein Verteidigungsbündnis, das
Europa zu Lande, zu Wasser und zur Luft unangreifbar macht und
gleichmäßige und gerechte Beteiligung aller Mitgliedstaaten dieser
Union wären dafür die Voraussetzung.“ (Europa im rechten Licht, S.
97) Das ist eine treffende Beschreibung dessen, was in der EU seit
geraumer Zeit abläuft: Aufbau von schnellen EU-Eingreiftruppen und
EU-Battle-Groups, Ausbau der militärischen Beistandsverpflichtungen,
Dutzende von großen Rüstungsprojekten, Stärkung der Rüstungsindustrie
usw.
Befreiung von „raumfremder Dominanz“. Mölzer vergisst auch nicht auf historische Kontinuitätslinien dieser auf Weltmacht abzielenden Europapolitik hinzuweisen: Die „möglicherweise
nicht nur propagandistisch motivierten Versuche des Nationalsozialismus
im Zuge des 2. Weltkrieges, beispielsweise europäische
Waffen-SS-Einheiten aufzustellen, die Eroberungen der Wehrmacht also
quasi zum Ausgangspunkt einer neuen integrierten europäischen Ordnung
unter deutscher Hegemonie darzustellen, gehören wohl auch in diese
Reihe … Europa zu einen.“ (Servus Österreich, S. 194). So verwundert es auch nicht mehr, dass der freiheitliche EU-Parlamentarier zur Befreiung Europas „von raumfremder Dominanz“aufruft (Servus Österreich, S. 235). Diese Formulierung geht auf den
NS-Kronjuristen Carl Schmitt zurück, der mit seinem Werk
„Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für
raumfremde Mächte“ den Expansionsdrang des „Dritten Reiches“
völkerrechtlich abzusichern versuchte.
Kategorisch fordert Mölzer in einem Diskussionspapier über die europapolitische Linie der FPÖ (2007) „ein klares Bekenntnis zur europäischen Integration“ um „sich
im Zeitalter der Globalisierung in den weltweiten Verteilungskämpfen,
insbesondere gegenüber den USA, gegenüber China, gegenüber Russland,
gegenüber der islamischen Welt und anderen Teilen der Dritten Welt“ behaupten zu können. FP-Chef HC Strache assistiert: „Wir
sollten unsere Energie darauf konzentrieren, eine gemeinsame
Außenpolitik zu betreiben, welche nur die europäischen Interessen und
nicht die der Wall Street vertritt.“ (Zur Zeit, 20/2004). Denn die vertritt ja bekannterweise in erster Linie die Interessen von „gewissen Kreisen der Ostküste“ (Jörg Haider).
Ins Erbe des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ eintreten. Herzensanliegen war und ist Andreas Mölzer die EU-Osterweiterung. Diese abzulehnen widerspäche „jeder
inneren historischen Logik und auch wahrhaft europäischer Moral. Die
Geschichte des Abendlandes, gewiss lateinischchristlich geprägt, aber
nicht nur, erfordert diese EU-Osterweiterung genau für jenen Bereich,
der einst vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation dominiert war…
Erst sie böte die Chance, dass die … EU ins Erbe des Heiligen Imperiums
eintrete.“ (Europa im rechten Licht. S. 41) Als gestandener
Deutschnationaler weiß Mölzer natürlich, worum es dabei abseits des
europapolitischen Pathos geht: „Gerade die Deutschen und auch die
Österreicher, die in ihrer historischen Staatlichkeit für eben diesen
Bereich zum Teil Hegemonialmacht, zum Teil Entwicklungszentrum Schutz
und Schild waren, müssten naturgemäß das größte Interesse an der
Osterweiterung eben dieser Art haben. Damit rücken nämlich die
Deutschen rücken Berlin und Wien in die Mitte des neuen Europa. Die
Achse Brüssel - Straßburg, die bisher sowohl geopolitisch als auch von
den politischen Entscheidungsträgern her, das Zentrum der EU war,
dürfte damit von der Achse Berlin - Wien mit einer gewissen
Zwangsläufigkeit abgelöst werden.“ (Europa im rechten Licht, S.
40) Damit arbeitet sich der FP-Ideologe an den Kern der freiheitlichen
Europapolitik heran: Die Deutschen können „in diesem Europa wieder
in ihre alte ‚reichische’ Rolle hineinwachsen“. Das sei die
„Fortführung des alten, traditionellen Auftrags der Deutschen. Als
Träger eines übernationalen, eben abendländischen Reiches, Schützer und
Nährer der Christenheit…“. (Europa unser, S. 99). Abendland in deutscher Christenhand. „Man
sollte grundsätzlich nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung
ergibt sich ganz von selbst aus dem politischen, wirtschaftlichen,
kulturellen und technischen Schwergewicht Deutschlands und seiner
geografischen Lage." (NS-Denkschrift, 1942)
„Langer deutscher Stammbaum“. Mölzer gefällt sich gerne in historischen Anspielungen: „Die Europaidee hat einen langen deutschen Stammbaum; sie war nicht nur in Zeiten deutscher Schwäche in Blüte.“(Europa im rechten Licht, S. 54) Nein, sondern auch zu jener Zeit, als
nahezu der gesamte Kontinent unter deutschen Stiefeln zitterte. „Man
sollte grundsätzlich nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung
ergibt sich ganz von selbst aus dem politischen, wirtschaftlichen,
kulturellen und technischen Schwergewicht Deutschlands und seiner
geografischen Lage“, heißt es in einer NS-Denkschrift der
deutschen „Gesellschaft für Europäische Wirtschaftsplanung und
Großraumwirtschaft“ aus dem Jahre 1942. Solchen taktischen Winkelzügen
will sich auch Mölzer nicht verschließen: „Natürlich gilt es, etwa
für die Österreicher … den Eindruck eines ‚deutschen Blocks’ auf die
übrigen Europäer zu vermeiden. Allzu stark, allzu beherrschend wäre ein
solcher Block, allzu groß die historischen Lasten die man damit
beschwört.“ (Europa unser, S. 100)
Ansonsten fechten Mölzer freilich diese „historischen Lasten“ nicht weiter an, unbekümmert propagiert er - pseudowissenschaftlich verbrämt – sein biologistisch-rassistisches Weltbild: „In
geistigen und seelischen Tiefenschichten der Menschen, auch der
Deutschen, lauert der um Identität - auch nationale - ringende
Selbstsucher, der potentiell xenophobe, sein Revier verteidigende Wolf.
Gruppenbewusstsein, sprachlich begründete, weil auf Kommunikation
fußende Identität, ist dem Menschen offenbar von seinen Genen her, aber
auch von der kulturellen Evolution her unauslöschlich gegeben.
Re-Education, Antifaschismus und political correctness können da
offenbar nur die Oberfläche verändern - auch bei den Deutschen zwischen
Kiel und Klagenfurt, zwischen Bonn und Berlin.“ (Servus Österreich, S. 43)
Anschluss durch die EU-Hintertür. Mölzer macht kein Hehl daraus, dass die „xenophoben Wölfe zwischen Kiel und Klagenfurt“in der EU das erreichen wollen, was ihnen außerhalb auf Grund von
Staatsvertrag und Anschlussverbot verwehrt blieb. Kluge Neofaschisten
haben längst erkannt, wovor fortschrittliche Kräfte bereits 1994
gewarnt haben. Der EU-Beitritt Österreichs öffnet die Hintertür zum
Anschluss an Deutschland. Mölzer: „Sicher ist …, dass im
gegenwärtigen Integrationsprozess die herkömmlichen Staatsgrenzen
zunehmend überwunden und überflüssig werden… Was aber bleibt, sind die
Grenzen zwischen den Sprachräumen und den damit verbundenen sprachlich
konstituierten Kulturkreisen. Dies hat insbesondere für die Europäer
deutscher Muttersprache eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
Natürlich sind Südtiroler und Elsässer, Oberschlesier und
Nordschleswiger, Ungarndeutsche, Banater Schwaben, Karpatendeutsche,
Siebenbürger Sachsen und die Deutschen von Eupen-Malmedy im
grenzenlosen Europa wieder in der Lage, jenseits der unwichtiger
werdenden Staatsgrenzen soziokulturelle völkische Gemeinsamkeit zu
leben. … Grenzenlos deutsch ist somit die alte und wieder neue
europäische Mitte geworden.“ (Europa unser, S. 98)
Ungeniert beruft sich Mölzer dabei auf NS-Vorlagen: „Die
Gedanken der Einigung der europäischen Mitte sind auch von so
bedeutenden Geistern wie dem Geopolitiker Karl Haushofer… verfochten
worden.“ (Europa im rechten Licht, S. 54) Dieser von Mölzer gelobte „bedeutende Geist“war 1934 - 1937 Präsident der „Deutschen Akademie“, 1938 – 1941
Vorsitzender der NS-Vorfeldorganisation „Volksbund für das Deutschtum
im Ausland“ und volkstumspolitischer Berater und Verbindungsmann der
NSDAP-Führung, nicht zuletzt bei der Annexion Österreichs. Seine
geopolitischen Theorien dienten den Nazis als Grundlage für ihre
Expansionspläne und Eroberungskriege. Der NS-Ideologe Haushofer
erklärte in seiner 1934 erschienenen Schrift „Weltpolitik von heute“: „Weltpolitisch begibt sich ... in die Hinterhand, wer in der Grenze eine als rechtsbeständig festgelegte ... Linie sieht“, nicht aber „eine Kampfzone“.
„Auf den Misthaufen der Geschichte“. Um die „europäische Mitte“ also wieder „grenzenlos deutsch“zu machen, müssen die den Rechtsextremen schon immer verhassten
Grundfesten der 2. Republik zerstört werden: Neutralitätsgesetz und
Staatsvertrag. Denn in der Selbstverpflichtung, sich an keinen Kriegen
zu beteiligen (Neutralität), in der Verpflichtung zu Antifaschismus und
Anschlussverbot (Staatsvertrag) wurden wesentliche Lehren aus der
katastrophalen Verstrickung in großdeutsche Herrschaftspläne gezogen.
Das weiß Mölzer und freut sich umso mehr, dass mit dem EU-Beitritt„der biedere Angehörige der ‚österreichischen Nation’ zur Kenntnis
nehmen (muss), dass das angeblich primäre Kriterium seiner Identität,
eben diese Neutralität, auf dem Misthaufen der Geschichte landen
dürfte.“ (Servus Österreich, S. 45). Denn: „Das Gegenteil der
neutralen ‚Kleinstaaterei’ ist der Reichsgedanke... Das neue
Europa…kann nur an den alten Reichsgedanken anknüpfen. Neutralität,
Neutralismus oder schlechthin der Typus des Neutralen werden für dieses
Europa uninteressant, ja unverträglich sein.“ (ebd, S. 68) Selbstverständlich ebenfalls am „Misthaufen der Geschichte“ soll der Staatsvertrag entsorgt werden: „Der
Staatsvertrag, zentral das Anschlussverbot an Deutschland, ist durch
den Beitritt zur Europäischen Union, womit sich ja Österreich im
gleichen supranationalen Gefüge befindet wie die übrigen Deutschen, von
der Geschichte schlichtweg überholt.“ (ebd, S. 63)
„Vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind…“Die Freiheitlichen und andere Rechtsextreme sind keine Gegner der EU,
im Gegenteil, sie propagieren offen, was die wohl mächtigsten Eliten in
der EU, die in Berlin, tatkräftig betreiben und wofür die in Wien
zunehmend assistieren: der Aufbau einer europäischen Weltmacht unter
deutscher Vorherrschaft. Freilich will man darüber nicht laut reden,
auch wenn der eine oder andere schon einmal Andeutungen macht. So z.B.
der damalige BRD-Außenminister Kinkel im Jahr 1993: "Nach außen
gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind:
im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren
Wünschen und unserem Potential entspricht.“ (Frankfurter Allgemeine, 19.3.1993) Doch was wenn die Nachbarn den Wünschen nicht folgen wollen? Dann „könnte
Deutschland aufgefordert werden oder aus eigenen Sicherheitszwängen
versucht sein, die Stabilisierung des östlichen Europa alleine und in
der traditionellen Weise zu bewerkstelligen“, erläuterte das
Schäuble/Lamers-Papier der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion pünktlich zum
55. Jahrestag des Überfalls auf Polen, am 1. September 1994. In
Österreich hat bereits die Vranitzky-Regierung Anfang der 90er Jahre in
Vorbereitung des EU-Beitritts jene Passagen des Staatsvertrages, die
die militärische Kooperation mit Deutschland und den Verkauf der nach
1945 verstaatlichten Betriebe an deutsche Konzerne verbieten, einseitig
für „obsolet“ erklärt. Still und heimlich – ohne Tadel durch
Medien oder Opposition. Und in Bezug auf die Neutralität wird nach der
Devise verfahren, die vom damaligen Verteidigungsminister Platter
ausgegeben wurde: „Die Neutralität ist tief im Herzen der
Österreicher. Man muss behutsam sein und darf das nicht herausreißen.
Es ist besser, eine Operation vorzubereiten, um das vorsichtig
herauszuoperieren“ (Die Presse, 5.12.2003).
Noch bekunden die Eliten, den Kampf gegen den Rechtsextremismus entschieden führen zu wollen. Das dürfte weniger mit substanziellen inhaltlichen Differenzen als mit der Angst zusammenhängen, dass unter dem blauen Lack mit den gelben Sternen vorschnell der Rost alter imperialer Herrschaftspläne zum Vorschein kommt.
Gerald Oberansmayr
Quellen:
Servus Österreich – Der lange Abschied von der zweiten Republik, Andreas Mölzer, Berg 1996
Europa im rechten Licht, Andreas Mölzer, Wien 2004
Europa unser: für ein Europa der freien Völker und der kulturellen Vielfalt, Andreas Mölzer, Wien, 2005
Europa-Propaganda einst
Arbeit über nationalsozialistische Europa-PropagandaBonus-Track: Zigarettenbilder-Album
1935: Schon vor dem Anschluß Östereichs an Hilter-Deutschland wussten sich die Deutschnationalen in der Populärkultur der Menschen zu verankern: Etwa mit Zigaretten-Sammelbilder. Hier ein einzigartiges Dokument: Die fertiggestellte Bildersammlung „Deutsche Kolonien” deutsche_kolonien_Zigarettenbilderalbum.pdf
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pdf, 24.6M, 18-06-2009