Helfen statt reden

Caritas oder Bestandteil einer politischen Strategie?

Die politische Strategie der steirischen KPÖ lässt sich wie folgt zusammenfassen: Sie versucht, eine Bewegung für das tägliche Leben und für die großen Ziele der ArbeiterInnenbewegung zu sein, sie verbindet ihre Politik mit glaubwürdigen Personen und sie drückt das auch dadurch aus, dass ihre Mandatarinnen und Mandatare einen großen Teil ihres Politbezuges für konkrete soziale Zwecke verwenden.

Der letzte Punkt hat großes Aufsehen und einigen Zuspruch in der Öffentlichkeit hervorgerufen. Es gibt aber auch Widerspruch. Vor allem konkurrierende Parteien  wie ÖVP, SPÖ oder Grüne sprechen von Caritaspolitik oder von Stimmenkauf. Ultralinke Kräfte greifen diese herabwürdigende Kritik auf und sehen in dieser Haltung ein Zeichen für das Abgleiten der steirischen KPÖ in den Sumpf des Reformismus. Und es gibt leider auch in der KPÖ mancherorts Unverständnis für die Vorgangsweise der steirischen Parteifreunde.

 

Deshalb sind einige Klarstellungen notwendig. Die steirische KPÖ steht damit nämlich nicht außerhalb der Tradition der marxistischen Arbeiterbewegung. Niemand anderer als Victor Adler, der Begründer der österreichischen Sozialdemokratie, wies in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nämlich nicht nur auf das elende Schicksal der Ziegelarbeiter am Wienerberg hin, er behandelte diese Menschen als Arzt auch gratis und er verwendete einen Teil seiner Erbschaft für soziale Zwecke, den anderen für die Gründung der Arbeiterzeitung.

Und die Bolschewiki führten nach der Oktoberrevolution das sogenannte Parteimaximum ein. Kein Parteifunktionär sollte mehr verdienen als ein qualifizierter Facharbeiter. Leider ist man in der Sowjetunion unter dem Zeichen des „Kampfes gegen die Gleichmacherei“ vor allem unter Stalin, aber auch danach von diesem Prinzip abgegangen. Einige kommunistische und fortschrittliche Parteien, so auch die KPÖ, haben bis heute in ihrem Statut verankert, dass Einkünfte aus politischen Funktionen abzuliefern sind.

Dabei ist vor allem  gemeint, dass die politische Arbeit der Partei auf diese Weise  materiell zu unterstützen ist. In Österreich ist es aber so, dass hohe Stimmenanteile in einer Stadt wie Graz oder der Einzug in den Landtag eine sehr hohe öffentliche Parteienförderung mit sich bringen. Deshalb hat Ernest Kaltenegger nach seinem Einzug in die Grazer Stadtregierung diese Regel modifiziert: Gemeinderäte liefern ihre Bezüge an die Partei, die Stadträte und die Klubobfrau im Landtag verwenden von ihrem Nettogehalt alles, was über eine Höchstgrenze (derzeit 1.950 Euro in Graz und 2.300 Euro auf Landesebene) hinausgeht, für soziale Zwecke , sie spenden nicht an anonyme Institutionen, sondern helfen Menschen aus Fleisch und Blut, die ganz dringend Unterstützung brauchen. Und einmal im Jahr legen sie bei einem Tag der offenen Konten Rechenschaft darüber ab, was mit diesem Geld getan worden ist.

2019 wurden von der Grazer Stadträtin Elke Kahr und ihrem Kollegen Robert Krotzer sowie von  den Landtagsabgeordneten Claudia Klimt-Weithaler und Werner Murgg insgesamt 184.929,80 Euro zur Unterstützung von 2076 Personen bzw. Familien in Notlagen zur Verfügung gestellt.

Die Grazer Stadträtin Elke Kahr betont, dass es nicht nur um finanzielle Hilfe geht. Alleine in ihrem Büro wurden 2019 über 4000 Beratungsgespräche geführt. In Summe wurden seit 1998 von den Mandataren der steirischen KPÖ € 2.311.488,13 an 18.462 Familien und Personen ausbezahlt.

Ist das Stimmenkauf? Sicherlich nicht. Sehr viele unter den Menschen, denen auf diese Weise geholfen worden ist, sind so weit von der Politik entfernt, dass sie nicht mehr zur Wahl gehen. Diese Haltung hat aber das Ansehen der KPÖ in der Öffentlichkeit  gesteigert und viele Menschen, die selbst in einer gesicherten Position sind, dazu gebracht, die KPÖ bei Wahlen, aber auch bei Aktionen zu unterstützen.

Die Mandatare der steirischen KPÖ entfernen sich wegen dieser Regelung auch im täglichen Leben nicht von der Mehrheit der Bevölkerung. Abgehobene Gehälter führen zu einer abgehobenen Politik. Das ist bei uns nicht der Fall.

Und noch etwas ist wichtig: Man darf Menschen, die in einer aktuellen Notsituation sind, nicht auf eine bessere Gesellschaftsordnung vertrösten. Hilfe muss schnell erfolgen und unbürokratisch sein. Damit wird man – auch als Kommunist, der eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung will – glaubwürdiger. Und es geht in einem gesellschaftlichen Umfeld, das alles daran setzt, um die Menschen vom Denken in Zusammenhängen und in Alternativen abzuhalten, auch um nicht weniger als um politische Alphabetisierung. Wenn Elke Kahr oder Robert Krotzer so handeln wie sie handeln, dann kann es auch sinnvoll sein, sich mit dem zu beschäftigen,was sie politisch zu sagen haben.

Die vielen Kontakte mit den Leuten und mit ihren Problemen sind auch aus einem anderen Grund wichtig. Die KPÖ war bis in die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts über ihre Grundorganisationen in Betrieben und Wohnviertel eng mit der Bevölkerung verbunden und hat so erfahren, welche Probleme und Forderungen für sie im Vordergrund standen. Diese Organisationen sind zusammengebrochen. Das bedeutet oft, dass die Schwerpunktsetzung in der Politik auf das Geratewohl hinaus, ohne Rückkopplung mit der Bevölkerung funktioniert.

Zuerst über den Mieternotruf in Graz, und dann über die unzähligen Kontakte mit Menschen in persönlichen Notlagen ist es wieder möglich geworden, empirisch zu ermitteln, welche Themen in den Vordergrund zu stellen sind. Zu nennen sind das Eintreten für einen Kautionsfonds und der Kampf gegen das Geschäft mit der Spielsucht, die auf diese Weise zu Schwerpunkten gemacht und in der Öffentlichkeit  mit der KPÖ verbunden worden sind.

Nun kann man sagen, dass dies alles positiv ist, aber mit den Zielen einer kommunistischen Partei nur sehr bedingt etwas zu tun hat. Auch darauf gibt es eine Antwort.

Warum ist die steirische (darunter vor allem die Grazer) KPÖ in den letzten Jahrzehnten dem Schicksal des Mitgliederschwundes, der Überalterung und der gesellschaftlichen Marginalisierung entgangen? Genau wegen dieser Haltung, die sich mit dem Schlagwort „Helfen statt reden“ zusammenfassen lässt.

Das zeigen auch die Mitgliederzahlen. Sie sind in Graz im letzten Vierteljahrhundert von 180 auf 270 gestiegen, steiermarkweit liegen wir mit 550 Mitgliedern ebenfalls im positiven Bereich. Darüber hinaus gibt es ein Netz von SympathisantInnen, ohne die Wahlerfolge wie in Graz oder  das Sammeln von mehr als 10.000 Unterschriften beispielsweise gegen das steirische Olympia-Abenteuer nicht möglich gewesen wären.

Und was noch wichtiger ist: Schritt für Schritt ist es gelungen, dass die KPÖ in der Steiermark wieder alle Funktionen einer kommunistischen Partei, die Interessenvertretung, den politischen Kampf und die ideologische Auseinandersetzung beherrscht.

Man könnte sehr viele Beispiele dafür anführen. Eine Partei, die in der AK mit 5 Mandaten vertreten ist, die bei Magna-Steyr zweitstärkste Kraft im Betriebsrat ist, die erfolgreiche Kampagnen für politische Themen geführt hat, die in der Stadt Graz die Opposition gegen Schwarz-blau anführt, die über den KPÖ-Bildungsverein marxistisches Grundwissen vermittelt und interessante Diskussionen zur Geschichte der Arbeiterbewegung und zu aktuellen Themen anbietet und die – nicht zuletzt – mit Festen im Volkshaus sehr viele Menschen zusammenbringt, lässt sich nicht auf eine Caritaspolitik reduzieren. Ohne diese Haltung aber, die Ernest Kaltenegger 1998 durchgesetzt und vorbildhaft gelebt hat, wäre die steirische KPÖ nicht dort, wo sie heute ist.

20. Februar 2020