Ein strukturierter Plan zur Sanierung des Budgets
Am 28. November wurde dem Grazer Gemeinderat die aktuelle budgetäre Lage der Stadt Graz sowie der gegenwärtige Stand des Konsolidierungsprozesses, der im Sommer gestartet hat, dargelegt. Um für die Zukunft finanziell gewappnet zu sein, ist es notwendig, den finanziellen Haushalt der Stadt Graz zu sanieren. Einerseits um strukturelle Altlasten zu kompensieren und anderseits um die explodierenden Teuerungen zu bewältigen. „Wir arbeiten strukturiert und mit Umsicht an dieser Strategie und werden im März eine realistische Planung vorlegen können“, sagt Finanzstadtrat Manfred Eber in seiner Rede:
Liebe Frau Bürgermeisterin, liebe Frau Vizebürgermeisterin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren!
Es freut mich, dass diese Sondersitzung des Gemeinderats stattfinden kann, eröffnet sie doch die Möglichkeit zu informieren, zu diskutieren und gemeinsame Schritte für die Finanz- und Budgetpolitik festzulegen.
Vor ziemlich genau einem Jahr fand die Angelobung der neuen Stadtregierung statt. Die Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ ist dabei angetreten, die Vielfalt in unserer Stadt zu vereinen, indem wir Solidarität und Zusammenhalt leben.
Bereits im ersten Jahr dieser Koalition konnte viel erreicht werden, einiges ist in Umsetzung, manches auf Schiene: vom Ausbau des Öffentlichen Verkehrs (Innenstadtentlastung, zweigleisiger Ausbau der Linie 5) über Waldankäufe bis hin zu Verbesserungen bei der Sozialcard, beim Kautionsfonds und in der Pflege, Einsparungen bei Repräsentationsausgaben, bei den Klubförderungen und den künftigen Gehältern bei den Geschäftsführer:innen unserer Beteiligungen - es gäbe fürwahr eine lange Liste an Maßnahmen im Interesse der Grazerinnen und Grazer zu berichten.
Ein ausgeglichener Haushalt und ein seriöser Schuldenpfad wurde im Koalitionsabkommen ebenfalls vereinbart. Mit dem Rechnungsabschluss für das Jahr 2021 erkannten wir hier bereits einen enormen Handlungsbedarf. Deshalb haben wir in den Budgetbeschlüssen vom Juni 2022 folgende Passage vorgelegt:
Kennzahlen-Ausblick/Konsolidierungsmaßnahmen: Gemäß EBITDA-Planung (Beilage 2) der Stadt 2022-2027 liegt in der Kennzahl „Abweichung laufender Saldo zu Mindesterfordernissen Zinsrisikostrategie 2022“ ein positiver Wert von 8,1 Mio. Euro vor. Im Voranschlag 2023 ist in dieser Position von einem negativen Wert von – 9,4 Mio. Euro auszugehen, der sich ab 2023 dann um die jährliche Rückführung der Kassenkredite um –10,5 Mio. Euro erhöht. Der gesamte negative Wert wird 2023 über eine Entnahme aus der Tilgungsrücklage abgedeckt. Ab dem Jahr 2024 ist bei Leistung des VFV II-Zuschusses an die Holding mit negativen Abweichungen von rund – 52,6 Mio. Euro im Jahr 2024 bis –7,3 Mio. Euro im Jahr 2027 – exklusive der jeweils geplanten Rückführung der bestehenden Kassenkredite von 10,5 Mio. Euro p.a. - zu rechnen.
Gemäß dieser Kennzahl wird seitens der Finanzdirektion die dringend notwendige Umsetzung entsprechender Konsolidierungsmaßnahmen empfohlen. Seitens des Gemeinderat wird somit der zuständige Finanzreferent Stadtrat Manfred Eber beauftragt, dem Gemeinderat bis Ende des 1.Quartals 2023 entsprechende Vorschläge zur Budgetverbesserung zur Beschlussfassung vorzulegen. Diese Vorschläge sollen beispielhaft aus dem Themenbereichen Benachteiligung der Stadt Graz im österreichweiten und innersteirischen Finanzausgleich, Evaluierung und Erhöhung aktueller Tarife bei Verwaltungsabgaben, Kommissionsgebühren, Kostenbeiträge und Parkraumeinnahmen kommen. Ebenso ist die Forcierung der allem im Bereich des Tarifsystems und der Taktverdichtung der Linien sowie weitere Optimierungsschritte in zahlreichen Bereichen und Abteilungen des „Haus Graz“ zu diskutieren.
Für den Fall, dass es aus diesen Bereichen zu keinen ausreichenden Budgetverbesserungen ab 2024 kommen kann, sind dem Gemeinderat aktualisierte Budgetvorgaben für Magistrat und Beteiligungen zur Beschlussfassung vorzulegen.
Die Notwendigkeit von Konsolidierungsmaßnahmen, um den Haushalt auch in den Jahren ab 2024 stabil zu halten, war also bereits im Juni bekannt und beschlossen. Ab diesem Zeitpunkt war uns, der Koalition aus SPÖ, Grünen und KPÖ, auch klar, dass wir auch bei den Investitionen bremsen müssen, ohne die Ziele, für die wir angetreten sind, aus den Augen zu verlieren. Zeitgleich mussten wir ein verstärktes Augenmerk auf die Sicherstellung der notwendigen Liquidität legen.
Der Schuldenstand lag am 31. 12. 2021 bei 1,594 Milliarden Euro. In unseren Planzahlen kommen wir mit Jahresende auf 1,710 Milliarden Schulden. Das ist niedriger, als die Vorgängerregierung in ihrer mittelfristigen Finanzplanung eingerechnet hat. Ich freue mich, heute mitteilen zu können, dass es im Jahr 2022 zu einer nominellen Verringerung des Schuldenstands kommen wird. Ich rechne mit einem Rückgang der Verschuldung um rund 30 Millionen, vorsichtig geschätzt.
Was hat sich nun in den letzten drei Wochen verändert? In diesen drei Wochen verging ja praktisch kein Tag, an dem die Medien nicht ausführlich über die finanzielle Lage der Stadt berichteten und ich zitiere den Chefredakteur des Grazer, Tobit Schweighofer, in seinem gestrigen Kommentar: "vertrauliche interne Dokumente werden mit fast schon skandalöser Regelmäßigkeit hinterrücks an die Öffentlichkeit gebracht".
Doch der Reihe nach. Heute vor genau drei Wochen gelangte ein vertrauliches Schreiben des Stadtrechnungshofdirektors an die Mitglieder der Stadtregierung an die Öffentlichkeit. Keine zwei Stunden dauerte es von der Übermittlung des Schreibens bis zur Veröffentlichung in der Kleinen Zeitung.
Es ist die Aufgabe und die Pflicht des Stadtrechnungshofs, bei einer angenommene Schieflage des städtischen Haushalts, eine Warnung auszusprechen. Die Behauptung, der Regierungskommissär stünde praktisch schon vor der Tür und würde die Agenden der Bürgermeisterin übernehmen, was zu einer Auflösung des Gemeinderats und Neuwahlen führen würde, war und ist für mich aber nicht nachvollziehbar. Dies wurde im Übrigen auch von Seiten des Landes bestätigt, sowohl von politischer als auch von Beamtenebene.
Am 09. November wurde dem Stadtrechnungshof ein Schreiben übermittelt, das eine Hochrechnung für die Mittelfristplanung zum Inhalt hatte. Auf Basis der Preissteigerungen insbesondere im Energie- und Baubereich, der zu erwartenden höher ausfallenden Pensions- und Gehaltsanpassungen, aber ohne jedwede Gegenmaßnahme wurde der im worst case zu erwartende Konsolidierungsbedarf ermittelt. Aufgrund des berechtigten Interesses der Oppositionsparteien wurden diese Berechnungsgrundlagen an diese übermittelt. Auch hier wurde die Vertraulichkeit zum wiederholten Male gebrochen.
In dieser herausfordernden Phase mussten wir unter großem Zeitdruck auch noch die Leitung der Finanzdirektion neu vergeben, um hier kein Vakuum entstehen zu lassen. An dieser Stelle danke ich Mag. Stefan Tschikof für seine Tätigkeit. Und ich danke Mag. Johannes Müller für seine Bereitschaft, interimistisch die Finanzdirektion zu leiten und mit uns allen gemeinsam, die nächsten Schritte auf unserem Konsolidierungspfad zu gehen.
Nunmehr liegen diese Zahlen offen auf dem Tisch und wir können gemeinsame Lösungsansätze und Strategien für eine nachhaltige Finanzierung der Stadt Graz, des Hauses Graz und ihrer Aufgaben bearbeiten.
In welchem wirtschaftlichen Umfeld bewegen wir uns?
Seit Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 haben wir es mit erheblichen Eintrübungen aber auch mit kräftigen Aufholeffekten zu tun.
Bereits im Jahr 2019 war das Wirtschaftswachstum in Österreich massiv zurückgegangen und oszillierte um 0 %. Im ersten Quartal 2020 (Lockdown Mitte März) verringerte sich das Wachstum um über 2 %, im 2. Quartal brach es um über 11 % ein. Das dritte Quartal brachte Aufholeffekte, die sich mit rund 11 % Wachstum zu Buche schlugen. Im ersten Halbjahr 2022 befand sich die österreichische Volkswirtschaft laut WIFO in einer Hochkonjunkturphase, die nun abrupt zu Ende geht.
Noch im Oktober lag zwar die Arbeitslosenrate unter jener des Vorjahres und gleichzeitig wuchs die Zahl der unselbständig Beschäftigten um rund 63.000 an. Gleichzeitig erreichte die Inflationsrate im Oktober 2022 mit elf Prozent den höchsten Wert seit siebzig Jahren.
In den nächsten Quartalen haben wir es mit einer Stagflation zu tun: stagnierende Wirtschaft bei gleichzeitig hoher Inflation, das WIFO rechnet mit einem Preisanstieg von durchschnittlich 6,5 %. Damit liegen wir in etwa im Bereich der gesamten EURO-Zone.
Ich komme nun zu den geänderten Planungsannahmen, also: welche Parameter haben sich seit der Budgeterstellung verändert?
Eine wichtige Grundlage dabei sind die Schätzungen der Inflationsrate. Im letzten Monat, das wir für die Budgeterstellung heranziehen konnten, der April 2022, lag die Inflationsrate bei 7,2 %. Das WIFO ging, wie viele anderen Analysten auch, davon aus, dass sich die Inflationsrate im Herbst/Spätherbst wieder auf rund 4 % stabilisieren wird, mit einem positiven Ausblick auf das nächste Jahr. Gekommen ist es anders, wie gesagt, im September und Oktober hatten wir es mit Inflationsraten im bereits zweistelligen Bereich zu tun.
Dies hat natürlich merkliche Auswirkungen auf Gehalts- und Pensionserhöhungen.
Grundlage bei den KV - Verhandlungen ist die rollierende Inflation, also der Monatsdurchschnitt gerechnet über ein Jahr. Sie beträgt aktuell ca. 7,5 %. Hat man im Frühjahr als Basis die WIFO-Quartalsprognose von März genommen, lägen wir heute bei fünf bis 5,5 %.
Warum also haben wir 3,5 Prozent für Gehaltserhöhungen eingestellt?
1. Die explodierende Teuerung wurde von niemandem in diesem Ausmaß erwartet.
2. die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Gehaltsabschlüsse teils unter, teils über der rollierenden Inflationsrate gelegen sind und
3. Dienstposten, die nicht besetzt sind, und davon gibt es einige, werden zwar miteingerechnet, real senken sie aber die nominellen Gehaltssteigerungen.
Im Bereich der Beteiligungen haben insbesondere die Energie- und Baukostenentwicklungen Auswirkungen auf unsere Planungen.
Allein im Bereich des Konzerns Holding Graz müssen wir von Mehraufwänden in Höhe von rund 165 Millionen Euro kumuliert für die nächsten fünf Jahre im laufenden Budget ausgehen. Dazu kommen Investitionskostenerhöhungen im Ausmaß von über 80 Millionen Euro, wiederum kumuliert für die nächsten fünf Jahre gegenüber den Planungsannahmen vom Zeitpunkt der Budgeterstellung. Auch diese Mehrkosten werden selbstverständlich erst dann schlagend, wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden. Die Holding ist - in guter Abstimmung mit der Finanzdirektion und den politisch Verantwortlichen - bemüht, diese Kostenüberschreitungen einzudämmen.
Zu einer Verschlechterung in der Hochrechnung der Mittelfristplanung kommt es auch aufgrund der Tatsache, dass für 2024 nunmehr 100 Millionen Euro für Zahlungen an die Holding Graz, insbesondere zur Abdeckung des Abgangs im Verkehr, eingestellt wurden. In den Folgejahren steigt dieser Betrag um jeweils 10 Millionen pro Jahr. Zum Vergleich dazu: bei der Budgeterstellung ging man von einem Finanzmittelbedarf von 58 Millionen pro Jahr ab 2024 aus.
Zum Schluss komme ich noch zu einigen Einnahmenspositionen:
Die Ertragsanteile des Bundes entwickelten sich 2022 äußerst gut, für 2023 wird nunmehr mit einem Plus von rund einem Prozent gerechnet. Dies bedeutet beträchtliche Mehreinnahmen gegenüber den ursprünglichen Annahmen, weil sich die Basis für 2023 deutlich erhöht hat. Für die Jahre 2024 - 2026 ergibt die Vorschau allerdings einen Rückgang der Zuwachsprognosen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Kommunalsteuer.
Und schließlich die Müll- und Kanalgebühren. Die Erhöhung dieser Positionen wurde bekanntlich für das Jahr 2022 ausgesetzt. Im Budget ging man noch von einer Erhöhung im Jahr 2023 von 5,6 % aus, in der aktualisierten Planung von 9,5 % und tatsächlich sind diese Gebühren auf Basis der aktuellen VPI-Entwicklung um nahezu 10,5 Prozent zu erhöhen. Das ist eine dramatische Entwicklung. Wichtig dabei: ein Aufholeffekt für 2022 ist in dieser Planung nicht enthalten.
Welche Konsequenzen, welche Maßnahmen sind nun erforderlich, was werden die nächsten Schritte sein? Graz ist nicht die einzige Stadt, die vor derartigen Herausforderungen steht. Die österreichischen Kommunen haben mit Mehrkosten von rund 1,2 Milliarden zu kämpfen, davon alleine 500 Millionen im Bereich der Energie. Die Landesgruppe Steiermark des österreichischen Städtebundes weist in einer einstimmig beschlossenen Resolution vom 08. 11. 2022 darauf hin, "dass die Rücklagen der Kommunen durch die Corona-Krise bereits stark reduziert wurden. Die Kommunale Daseinsvorsorge kann hingegen nicht reduziert werden und muss zu jeder Zeit sichergestellt sein." und fordert u. a. "einen nicht rückzahlbaren Sonderzweckzuschuss in der Höhe von 500 Millionen für das Jahr 2023". Damit können - wie gesagt - nur die gestiegenen Energiekosten für ein Jahr abgefangen werden. Darüber hinaus braucht es sicherlich noch weitere Unterstützungsmaßnahmen seitens der Bundesregierung.
Abgesehen davon werden wir konkrete Konsolidierungsmaßnahmen in unsere Mittelfristplanung einrechnen und dem Gemeinderat im März zur Beschlussfassung im Rahmen eines Nachtragsvoranschlags vorlegen.