Ein Bad für jede Gemeindewohnung

Ein Kulturprojekt der besonderen Art

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Ernest Kalteneggers Initiative "Ein Bad für jede Gemeindewohnung" ist das wohl das nachhaltigste Projekt des Grazer Kulturhauptstadtjahres 2003. (Foto: Simon Gostentschnigg) Simon Gostentschnigg

Eine Wohnung ohne Bad oder Dusche und vielleicht sogar mit WC am Gang? Was heutzutage nur noch schlecht vorstellbar ist, war vor gut zwanzig Jahren für hunderte Mieterinnen und Mietern von städtischen Altbauwohnungen Realität.

Als nach der Gemeinderatswahl 1998 die KPÖ in den Grazer Stadtsenat einzog, wurden wir sehr bald mit dem Problem von Substandardwohnungen  im städtischen Besitz konfrontiert. Offensichtlich war die Verbesserung von schlecht ausgestatteten Wohnungen den bisher dafür politisch Verantwortlichen nicht gerade ein Herzensanliegen. Was dies für die in solchen Wohnungen lebenden Menschen bedeutet, schien die Verantwortlichen nicht sehr zu bewegen.

Substandard

Natürlich waren vor 100 Jahren Wohnungen ohne Bad absolut keine Seltenheit. Dafür gab  es noch öffentliche Badeanstalten mit Duschen oder Wannenbädern, die es ermöglichten – meist wenigstens einmal wöchentlich – sich umfassend zu reinigen. Nachdem sich dann doch allgemein die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass ein Bad kein Luxus ist sondern auch der Gesundheit dient, wurde bei der Errichtung von neuen Häusern der Einbau von Bädern endlich eine Selbstverständlichkeit. Auf nicht wenige stadteigene Altbauten hatte man offensichtlich vergessen und einfach keinen Handlungsbedarf gesehen.

KPÖ übernimmt

Natürlich wurde seitens der KPÖ bei der Übernahme der Verantwortung für die Gemeindewohnungen dieses Problem umgehend thematisiert und ein Budget für die Behebung dieses Mißstandes gefordert. Die Reaktion der anderen Stadtsenatsparteien war jedoch– freundlich ausgedrückt – eher verhalten. 1999 ergab sich unerwartet eine neue Möglichkeit zur Thematisierung der Benachteiligung zahlreicher Menschen in unserer Stadt: Graz erhielt den Zuschlag bei der Nominierung zur Kulturhauptstadt Europas 2003.

Kulturhauptstadt als Chance

Umgehend wurden KPÖ-Plakate angebracht mit der klaren Botschaft „Auch das ist Kultur: Ein Bad für jede Gemeindewohnung!“. Grundgedanke war, dass man Kultur als nicht etwas Enges sehen darf, Kultur sollte alle Bereiches des Lebens erfassen. Wohnen als Grundbedürfnis von Menschen gehört natürlich unbedingt dazu. Nach einigen Diskussionen setzte sich diese Auffassung durch. Vor allem die Gestalter des Kulturhauptstadtjahres waren von dieser Idee angetan. Die Folge war, dass die Stadt die notwendigen Mittel für den Einbau von Duschen in den Substandardwohnungen  der Gemeinde bereit gestellt hat.

Kultur für Alle

Heute könnten sich die meisten Mieterinnen und Mieter dieser Wohnungen ein Leben ohne Dusche wahrscheinlich nicht mehr vorstellen. Fliesen mit dem Logo des Kulturhauptstadtjahres 2003 in den Bädern erinnern auch heute noch an dieses Ereignis vor zwanzig Jahren. Ein Beweis, dass Kultur wirklich alle Bereiche des Lebens von Menschen erreichen kann.

Ernest Kaltenegger

6. Juni 2023