Der Umgang mit den Covid-Auswirkungen ist eine Klassenfrage

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„Das Für und Wider von Maßnahmen in der komplizierten Situation muss mit mündigen Menschen besprochen – nicht einseitig verkündet werden. Kaisers Zeiten sind endgültig vorbei“, betont Anne Rieger. neelam279, Pixabay

Der Umgang mit den Auswirkungen von Corona ist eine Klassenfrage. Die Auswirkungen der Krankheit, die angeordneten Maßnahmen, die gesellschaftlichen Langzeitfolgen treffen Arme härter und brutaler als Mittelstand und Reichen. Das ist weltweit, in Europa, in der EU und in Österreich so.

Während sich mächtige Industrielle, Reiche und ihre Politiker in ihre Villen zurückziehen, der Mittelstand wo kann, in die Vororte der großen Städte ausweicht, sie alle über Homeoffice arbeiten können, wohnen viele Menschen auf engstem Raum oder haben keinen. Und das medizinische und Pflege-Personal, die Handelsangestellten, die Arbeiter*innen und normalen Angestellten kämpfen an vorderster Front gegen das Virus, um Pflege, medizinische Betreuung, Nahrung, Transport und die Produktion von lebensnotwendigen Gütern.

Auf der anderen Seite sehen wir die herrschende Klasse spekulieren. Skrupellos nutzen sie die Pandemie um Preise zu erhöhen, verstecken  medizinische Produkte, um künstliche Knappheit zu erzeugen. Mit Masken, Schutzausrüstungen, Testkits wird Profit gemacht. Der Impfstoff wird an den Meistbietenden verkauft, ärmere Länder gehen leer aus oder werden hint’ angestellt. Wie in allen Krisen geht es den Herrschenden nur um den Profit nicht um die Gesundheit der Menschen.


Wir brauchen eine gemeinsame Strategie der arbeitenden Menschen

Die Petition ZeroCovid steht „Für einen solidarischen europäischen Shutdown“. Knapp 100.000 Menschen hatten bei Redaktionsschluss unterschrieben: „Das Ziel heißt Null Infektionen! Wir brauchen sofort eine gemeinsame Strategie in Europa, um die Pandemie wirksam zu bekämpfen. Das erinnert an alle Aufrufe der Herrschenden in den Betrieben: „Wir sitzen alle in einem Boot“.

Sitzen wir aber nicht. Unsere Strategie gegen die Seuche muss deswegen beginnen mit einer Strategie gegen den Umgang der Herrschenden mit der Pandemie. Dazu muss der Kampf zu allererst im eigenen Land geführt werden. Hier können wir am ehesten Druck entwickeln, um die Machtfülle der Herrschenden einzuschränken. Hier können wir die Bedürfnisse und Forderungen der Mehrheit der Menschen öffentlich an die konkreten Regierungen stellen und gemeinsam für die Durchsetzung kämpfen. Hier können wir am ehesten verhindern, dass an den Menschen und den Parlamenten vorbei per Verordnung und Message Control regiert wird.

Es ist nämlich schwer vorstellbar, wie und von wem eine gemeinsame Strategie in so unterschiedlichen Ländern wie z.B. Frankreich, Großbritannien, Österreich oder Albanien zur Pandemie durchgesetzt werden soll. Schon die Bundesländern innerhalb Österreichs können sich nicht einigen. Aber auch die gegensätzliche Interessenlage von Arbeiterklasse und Kapitalisten lassen sich erfahrungsgemäß nicht unter einen Hut bringen.


ZeroCovid legt Finger in die offenen Wunde

Obwohl die ZeroCovid-BefürworterInnen das übersehen, legen sie doch den Finger richtig in die offenen Wunden. Schonungslos decken sie die Versäumnisse von Regierungen und Konzernherren auf. Damit geben sie Hinweise, was die Beschäftigten in den einzelnen Ländern von ihrer jeweiligen Regierungen und Industriellen fordern und erkämpfen müssen:

Wenn es denn so ist, dass das Virus nur eingedämmt werden kann mit Abstand, Masken, regelmäßigen Test und Impfungen, zeitlich und örtlich begrenzte kürzeren Shutdowns von Bereichen, in denen sich ein Hotspot gebildet hat, dann müssen unsere Forderungen sich genau darauf beziehen.
 

Stück für Stück

Wir fordern ausreichend kostenlose Masken, regelmäßige kostenlosen Tests und Impfungen, mehr Gesundheits-, Pflege- und Bildungspersonal mit besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen – also kürzerer Arbeitszeit bei vollem Personal- und Lohnausgleich. Wir fordern Luftfilter für Schulen, öffentliche Räume und Verkehr. Konzerne müssen sie selber bezahlen. Die Strategie der Herrschenden und ihres politischen Personals den Lockdown für den privaten und Freizeitbereich der Bevölkerung zu verhängen, ihre sozialen Kontakte zu reduzieren um die Infektion so niedrig zu halten, damit die den Kapazitäten des Gesundheitssystems entsprechen, muss beendet werden. Sie ist gescheitert. Das Gesundheitssystem muss massiv ausgebaut werden, um auf die Gefahren einer – auch zukünftigen – Pandemie human reagieren zu können, ebenso Schulen, Pflegeheime und Arbeitsinspektorate. Bei trotzdem notwendig geworden begrenzten Shutdowns dürfen Betriebe nicht ausgenommen, sie müssen kontrolliert werden, die Beschäftigten brauchen eine Lohnersatzrate von 90 Prozent, kleinere Betriebe eine angemessene Überbrückungshilfe.

Das alles muss transparent, nachvollziehbar und offen – nicht im stillen Kämmerlein des Regierungssitzes – diskutiert und entschieden werden. Das Für und Wider von Maßnahmen in der komplizierten Situation muss mit mündigen Menschen besprochen – nicht einseitig verkündet werden. Kaisers Zeiten sind endgültig vorbei!

Geld ist genug da! Wir müssen es im eigenen Land erkämpfen – Stück für Stück – für eine humane Pandemiestrategie, statt Unternehmern wie z.B. die private AUA zu füttern oder Rüstungsinvestitionen von 191 (2019) auf 471 Millionen (2021) Euro in nur zwei Jahren zu erhöhen.

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Anne Rieger ist Diplom-Psychologin und Vorstandsmitglied des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB).

9. Februar 2021