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Brexit: Die EU hat in ihrer heutigen Form keine Zukunft

"EU ist nicht Europa der Demokratie und des Friedens, sondern Europa der Banken und Konzerne"

Das Votum Großbritanniens für einen EU-Austritt hat deutlich gemacht, dass die Kluft zwischen der Bevölkerungsmehrheit und den wirtschaftlichen Eliten immer größer wird. Immer weniger Menschen glauben, dass positive Veränderungen im Rahmen der EU möglich sind. Vor diesem Hintergrund begrüßt die steirische KPÖ das britische Referendum. Die Menschen werden sich jetzt selbst ein Bild machen können, ob die vorhergesagten Szenarien im Falle eines Austrittes tatsächlich eintreten.

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union haben viele Menschen große Hoffnungen verbunden: wirtschaftliche Zusammenarbeit, Frieden, gemeinsame Umwelt- und Sozialstandards sollten Verbesserungen für alle in den Mitgliedsstaaten bringen. Schon bald zeigte sich aber: Die EU ist ein Vehikel für den neoliberalen Umbau der Gesellschaft.

Die Kluft zwischen den Eliten, die von der EU profitieren, und der Bevölkerung, auf deren Kosten dieser Umbau stattfindet, wird immer größer. Die soziale und politische Krise, die immer weitere Teile der EU umfasst, ist davon nicht zu trennen. Das „Brexit“-Votum ist ein weiterer Ausdruck eines politischen Systems, in dem die Interessen der Mehrheit jenen einer wirtschaftlichen Elite untergeordnet werden.

Die Europäische Union übernimmt als übergeordnetes politisches Gebilde viele Aufgaben, die auf nationalstaatlicher Ebene in den Mitgliedsstaaten auf demokratischem Wege nicht durchzusetzen wären. Privatisierungen und Deregulierungen haben weder vor Industriebetrieben, noch vor dem Bildungswesen, der Gesundheitsversorgung oder den sozialen Sicherungssystemen Halt gemacht. Die Vermögen Weniger sind rasant gestiegen, während die Kaufkraft der breiten Masse stagniert oder sogar gesunken ist.

Der österreichische Rechnungshof wies 2014 nach, dass Arbeiterinnen und Arbeiter seit 1998 einen Reallohnverlust von 14 Prozent hinnehmen mussten. Gleichzeitig wurden alle Regulierungen der Finanzmärkte eliminiert. Mit den Freihandelsabkommen TTIP, TiSA und CETA soll diese Entwicklung nun beschleunigt werden. Ohne die EU wäre eine Ratifizierung dieser Abkommen kaum denkbar.

Seit Jahren ist auch unübersehbar, dass die Lissabon-Strategie gescheitert ist. Das neoliberale System ist in eine tiefe Krise geraten. Arbeitslosigkeit und Armut explodieren in Europa. Mit immer neuen Finanzspritzen in Milliardenhöhe wurden und werden Banken und Superreiche abgesichert, ohne dass die Ursachen der Krise bekämpft werden. Die EU in ihrer derzeitigen Form hat keine Zukunft. Die Ablehnung der EU wächst. Die Menschen wollen keine Abschottung, aber sie wollen auch ein System nicht mehr mittragen, das ihnen so viele Nachteile bringt.

Die Öffentlichkeit kann man sich nun selbst ein Bild machen, ob die Horrorszenarien, die der britischen Bevölkerung für den Fall des „Brexit“ vorausgesagt wurden, tatsächlich eintreten. Man darf dabei nicht vergessen, dass die immer wieder formulierten positiven Ziele in der EU nie verwirklich wurden: Weder in der Armutsbekämpfung, noch beim Umweltschutz, noch bei der Förderung von Gesundheit und Bildung gibt es erfreuliche Entwicklungen. Auch als „Friedensprojekt“ lässt sich die EU feiern, die Realität sieht anders aus: Die EU verfolgt eine aggressive und expansive Außenpolitik und eine Militarisierung unter Federführung der NATO. Die Regierungen basteln an neuen Belastungspaketen für die Bevölkerung. Jener entfesselte Kapitalismus, der die weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst hat, soll in noch radikalerer Form die von ihm selbst geschaffenen Probleme lösen.

Aufrüstung und Spardiktate sind ebenso eine direkte Folge der EU-Verträge wie die Währungspolitik, die die Krise weiter verschärft. Da die Euro-Staaten nicht demokratisch auf die Währungspolitik Einfluss nehmen können, sind sie den Finanzmärkten vollkommen ausgeliefert. Die Europäische Union ist nicht das viel gepriesene Europa der Demokratie und des Friedens, sondern das Europa der Banken und Konzerne.

Solange sich daran nichts ändert, darf auch die Option auf einen Austritt aus EU und Euro kein Tabu sein. Nach dem britischen Referendum, dem wie jeder vergleichbaren Abstimmung eine Angstkampagne vorausgegangen ist, werden sich die EU-Eliten bemühen, ihre neoliberale Agenda noch schneller umzusetzen. Das britische Referendum hat nämlich auch gezeigt: Der Zerfall der EU und des Euroraums ist kein unrealistisches Szenario.

24. Juni 2016