Altersarmut und Gewalt

Expertinnenstimme Mag. a Ulrike Taberhofer

Die demografischen Veränderungen in Hinblick auf eine Zunahme der älteren Menschen in unserer Gesellschaft sind aktuell immer wieder Anlass zu Diskussionen auf gesellschaftspolitischer und persönlicher Ebene. Einerseits werden in letzter Zeit zwar auch verstärkt die Potenziale und Kompetenzen älterer Menschen aufgegriffen, aber andererseits bestimmen jedoch vor allem Ängste und Sorgen die öffentliche Auseinandersetzung. Im Mittelpunkt steht dabei auch das Thema Altersarmut.

Armut und Altersarmut

Armut wird unterschiedlich definiert und gemessen. Zumeist wird darunter eine mangelnde Ausstattung mit ökonomischen Mitteln verstanden. Bei dieser Herangehensweise werden als Einkommens­armutsschwelle 60% des Median-Pro-Kopf-Haushaltseinkommens angenommen: das sind 1.163 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt (EU-SILC 2015). Somit galten 2015 13,9% der österreichischen Bevölkerung als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.

Da jedoch die Lebenschancen nicht nur an den verfügbaren ökonomischen Ressourcen gemessen werden können, ist Armut breiter zu sehen. Denn auch Einschränkungen in zentralen Lebensbereichen wie z.B. Wohnen, Bildung, soziale Beziehungen oder Gesundheit - vor allem im Alter – sind grundlegende Faktoren für Armut, die noch zusätzlich problemverschärfend wirken, wenn mehrere davon zusammentreffen.

Das Risiko, von Altersarmut betroffen zu sein, ist vielfach bereits in den vorhergehenden Lebensphasen angelegt. Denn ob Arbeiten für einen niedrigen Lohn, Unterbrechungen in der Erwerbsbiographie oder Krankheit - die Ursachen, im Alter nicht über eine ausreichende Pension zu verfügen und arm zu sein, sind vielfältig. In diesem Zusammenhang sind vor allem auch geschlechtsspezifische Unterschiede hervor zu heben. Die Gründe dafür sind vielfach die, dass Frauen deutlich seltener als Männer in sogenannten Normalarbeitsverhältnissen tätig sind und somit einen höheren Anteil an den sogenannten „working poor" darstellen. Das heißt, dass sie trotz Erwerbstätigkeit arm sind.

So lag 2015 der Anteil von Frauen in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen bei 48%. Demgegenüber liegt der Anteil der erwerbstätigen Männer, die eine Teilzeitbeschäftigung ausüben, bei 11,2%. Absolut betrachtet arbeiten somit wesentlich mehr Frauen in Teilzeit als Männer und das nicht immer freiwillig, denn in vielen Bereichen gibt es für Frauen gar keine Vollzeitarbeitsplätze mehr. Besonders bedenklich ist auch, dass vor allem in den untersten Einkommensklassen auch die Stundenlöhne real gesunken sind oder teilweise sogar Kollektivvertragsabschlüsse unter der Inflationsrate erfolgten. Diese prekären Beschäftigungsbedingungen wirken sich dann auch auf die Pension aus, denn in dieser Lebensphase verstärkt sich der existierende Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern noch mehr. Zusätzlich leisten Frauen insgesamt deutlich mehr unbezahlte, informelle Pflege- und Betreuungsarbeit im familiären Bereich und sind selbst auch stärker von Pflegebedürftigkeit betroffen.

Laut einer von der Allianz Versicherung durchgeführten Studie (2015) waren zum damaligen Zeitpunkt von Altersarmut „österreichische Frauen dreimal öfter betroffen als Männer". Die durchschnittliche Pension bei Männern lag 2015 bei 1.378 Euro brutto, während Pensionistinnen dagegen lediglich 842 Euro brutto im Monat bekamen. Zu diesen Verschlechterungen in den letzten Jahren haben auch die Pensionsreformen z.B. mit dem „Drei-Säulen-Modell" beigetragen. Abgesehen davon, dass sich viele Menschen eine private Pensionsvorsorge gar nicht leisten können, gilt es daher, das Umlageverfahren zu stärken.

Sicherung der Pensionen auf einem menschenwürdigen Niveau

Die Sicherung der Pensionen auf einem menschenwürdigen Niveau ist eine politische Entscheidung, die getroffen werden muss, um Altersarmut wirkungsvoll entgegenwirken zu können, um die derzeitige Tendenz - hin zu mehr Altersarmut – zu stoppen. Denn bereits jetzt zeigt sich, dass die Belastungen für ältere Menschen für die Bereiche Gesundheit, Pflege, Wohnung oder Mobilität in den letzten Jahren gewachsen sind. Immer mehr Menschen geraten in Lebenssituationen, die von Armut, Isolation und Hoffnungslosigkeit gekennzeichnet sind. Wer im Alter von Armut betroffen ist, hat kaum Chancen aus dieser Situation wieder heraus zu kommen und das stellt insbesondere auch eine Gefahr für das soziale Miteinander, gemeinsame Aktivitäten und gesellschaftliche Teilhabe dar.

Altersarmut und Gewalt

Altersarmut und Gewalt stehen somit in einem engen Wechselverhältnis zueinander, deren Ursachen in unserer Gesellschaft vielfältig, differenziert, multikausal und historisch bedingt sind. Strukturelle Gewalt ist ein wesentlicher Faktor, der zu unterschiedlichen Erscheinungsformen an Gewalttaten im Alter führt. Sie äußert sich vor allem darin, dass alte Menschen und insbesondere alte Frauen in unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden.

Durch die ungleichen Machtverhältnisse und Lebenschancen erhöht sich das Konfliktpotenzial, unter denen z.B. Pflegebeziehungen stattfinden. Deshalb gilt es, erforderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um in Würde mit entsprechender Unterstützung in unserer Gesellschaft alt werden zu können. Unter sozialer Gewalt lassen sich Probleme, Benachteiligungen und Ungleichbehandlungen in den Bereichen allgemeiner Lebensstandard, Wohnsituation, finanzielle und wirtschaftliche Sicherung sowie soziale Beziehungen im Alter einordnen.

Darüber hinaus sind familiäre und individuelle Faktoren wie z.B. Stabilität der Partnerschaftsbeziehung, Beziehungsstrukturen oder körperliche und seelische Gesundheit maßgebend dafür, ob und welche Ansatzpunkte im häuslichen Umfeld aber auch in Pflegesituationen für unterschiedliche Formen von Gewalt im Alter gegeben sind. Unter den derzeitigen gesellschaftlichen Bedingungen ist das Risiko, Opfer von Gewalt im Alter zu werden, aus vielfältigen Gründen sehr groß.

Ein wichtiger Ansatzpunkt ist deshalb auch, einer steigenden Altersarmut und der damit verbundenen Gefahr einer sozialen Ausgrenzung auf gesellschaftlicher Ebene wirkungsvoll entgegen zu treten. Denn in allen Lebensphasen ist diese Herangehensweise eine notwendige Voraussetzung für eine gesunde und zufriedenstellende Entwicklung jedes/jeder Einzelnen und vor allem auch für ein Altern in Sicherheit.

 

Mag. a Ulrike Taberhofer vom Verein GEFAS STEIERMARK, Gesellschaft für Aktives Altern und Solidarität der Generationen

Literatur

[1] Claudia Vogel, Andreas Motel-Klingebiel: Altern im sozialen Wandel. Die Rückkehr der Altersarmut. Springer VS, Wiesbaden, 2013

[2] GEFAS STEIERMARK, Regionalprojekt 2015 im Rahmen der „Plattform gegen die Gewalt in der Familie“ in Graz: Unterlagen zur Fachtagung „Altersarmut entgegenwirken – für ein Altern in Sicherheit!“

Weitere Informationen

[3] Karin Sanders, Hans-Ulrich Weth: Armut und Teilhabe. Analysen und Impulse zum Diskurs um Armut und Gerechtigkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2008                                         

Veröffentlicht: 11. Oktober 2016