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Sozialhilfe: Nicht selten sechs Monate Wartezeit auf Behördenentscheidung

KPÖ will Fristen verkürzen, lange Wartezeiten oft Existenz bedrohend. LH-Stv. Flecker gesprächsbereit.

LAbg. Claudia Klimt-Weithaler, Sozialarbeiterin Karin Gruber: Die KPÖ hat Fälle gesammelt, in denen die Behörde länger als ein halbes Jahr brauchte, um über einen Sozialhilfeantrag zu entscheiden. Für die Betroffenen hat das weitreichende Folgen.
Beim Steiermärkischen Sozialhilfegesetz schöpfen die zuständigen Bezirksbehörden häufig die gesetzliche Frist von sechs Monaten für die Entscheidung von Anträgen voll aus. Da es aber gerade bei Anträgen auf Sozialhilfe um die Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens für in Notlagen geratene Menschen geht, sollte die Behandlung der Anträge nicht ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Das betont die Sozialsprecherin des KPÖ-Landtagsklubs, LAbg. Claudia Klimt-Weithaler.

Die KPÖ hat in der heutigen Sitzung des Sozialausschusses des Landtags einen Antrag auf Verkürzung der Entscheidungsfrist stellen. Soziallandesrat LH-Stv. Flecker zeigte sich gesprächsbereit und will als ersten Schritt eine interne Prüfung der Umsetzbarkeit in die Wege leiten. Klimt-Weithaler zeigt sich erfreut über das Entgegenkommen der SPÖ und freut sich, dass die KPÖ nach vielen kleinen „Reparaturen“ und der Abschaffung der Regresspflicht bei der Sozialhilfe erneut eine Verbesserung der steirischen Sozialgesetzgebung erzielt hat.

Klimt-Weithaler: „Die Lebensplanung der Hilfsbedürftigen hängt oft von den Entscheidungen der Behörde unmittelbar ab. Für diese Menschen ist es nicht nur unzumutbar, sondern tatsächlich Existenz bedrohend, wenn sie monatelang nicht wissen, ob ihr Antrag genehmigt wird. Daher schlagen wir in diesem Fall eine Verkürzung der Entscheidungsfristen in erster Instanz vor.“

Sozialarbeiterin Karin Gruber vom KPÖ-Landtagsklub berichtet über einen Fall, in dem eine Mutter von drei Kindern insgesamt 11 Monate auf eine (schließlich positive) Entscheidung warten musste. Mehrfach wurde der Strom abgeschaltet, die drei Schulkinder mussten selbst auf das Nötigste verzichten. Das alles wäre ihr bei einer schnelleren Behördenentscheidung erspart geblieben.

Sozialarbeiterin Karin Gruber: Warum die Fristen verkürzt werden müssen

Ein Fallbeispiel

DSA Karin Gruber, Mitarbeiterin im Landtagsklub der KPÖ:

Ich habe während meiner Tätigkeit schon viele Menschen getroffen, die unter dem Existenzminimum waren und rasch materielle Hilfe benötigt hätten. Obwohl Anspruch auf Sozialhilfe bestand, haben zuständige Behörden (Bezirkshauptmannschaften) die Ermittlungsverfahren so lange hinausgezögert, dass die Wohnung bereits verloren, der Strom bereits abgeschaltet war, sodass die potenziellen SozialhilfebezieherInnen aufgaben. Andere wiederum bekamen mündlich zu hören, dass sie keine Sozialhilfe bekommen könnten, bekamen aber nie einen schriftlichen Bescheid und hatten so keine Möglichkeit zu berufen.

Nach Aufklärung in unseren Sozialsprechstunden stellten die betroffenen Leute dann schriftlich Anträge auf Sozialhilfe und beantragten gleichzeitig auch die Ausstellung eines schriftlichen Bescheides. Da die Behörde aber „so schnell wie möglich, spätestens nach 6 Monaten“ einen Bescheid erlassen muss, gab es Fälle, in denen die Behörden die sechs Monaten verstreichen ließen. Die Betroffenen sahen weder Geld in Form von Sozialhilfe noch einen Bescheid, gegen den sie hätten berufen können. Erst nach sechs Monaten besteht die Möglichkeit, einen Devolutionsantrag zu stellen, den die nächst höhere Instanz bearbeitet.

Dazu ein Fall aus der Praxis

Eine 50jährige Frau aus der Weststeiermark, ich nenne sie Frau Muster, wurde 2007 geschieden. Sie ist Mutter von drei Schulkindern und lebt mit diesen in einer kleinen Mietwohnung (67 m²). Frau Muster arbeitete als Aufräumerin, seit 14 Jahren (Geburt des ältesten Kindes) war sie nicht mehr berufstätig. Als Hausfrau und Mutter hatte sie kein eigenes Einkommen. Sie hat sich zwischenzeitlich schon öfter um Arbeit bemüht, aber aufgrund mangelnder Qualifikation, des Alters und vor allem der gesundheitlichen Einschränkungen (Bandscheibenvorfall, grüner Star, Diabetes) konnte sie bis jetzt in der ländlichen Region keine Arbeitsstelle finden.

Nach der Scheidung fingen die finanziellen Probleme an. Der Ex-Mann wurde zwar zu einer Unterhaltszahlung gegenüber Frau Muster verpflichtet und auch natürlich zu Alimentationszahlungen für seine 3 Kinder. Er kam diesen Verpflichtungen nicht nach. Für die Kinder wird seither Unterhaltsvorschuss in der Höhe von € 200,- je Kind vom Oberlandesgericht bezahlt. Frau Muster konnte den Lebensunterhalt für die vierköpfige Familie davon nicht ausreichend decken. Der Ex-Mann hat viele Exekutionen laufen, auch sein Existenzminimum muss eingehalten werden, so überweist seine Firma monatlich nur einen Betrag zwischen € 200,- und € 250,-. Mit diesem Einkommen ist die Frau noch immer deutlich unter dem Sozialhilferichtsatz. Im November 2007 stellte sie daher einen Antrag auf Sozialhilfe bei der Gemeinde. Sie bekam von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft weder Sozialhilfe noch einen Bescheid. Im Mai 2008, nach Ablauf der 6monatigen Frist, stellte sie einen Devolutionsantrag. Im Oktober 2008, also 11 Monate nach Antragstellung, kam die Frau erst zu ihrem Recht. Sie bekommt nun eine Nachzahlung von rund € 3.600,- und erhält in Zukunft monatlich rund € 250,- an Sozialhilfe.

-- Strom nur mehr gegen Vorauszahlung, sonst wird es für die Familie finster!

Die alleinerziehende Mutter, die so lange Zeit unter dem Sozialhilferichtsatz lebte, musste jedes Monat neu entscheiden, zahlt sie Miete und Strom oder bekommen die Kinder Bekleidung, Spielsachen und die notwendigen Schulartikel, dürfen sie mit zu einer Klassenfahrt, Skikurs, Ferienerholung oder nicht. Es kam zu einer hohen Stromnachforderung (€ 1.700,-), die Frau Muster nicht begleichen konnte. Der Strom wurde abgeschaltet, für eine vierköpfige Familie mit drei Kindern eine Katastrophe. Nach Rücksprache mit dem Stromversorger wurde ein „Prepayment-Zähler“ installiert. Dieser muss mit 50-Euro-Wertkarten aufgeladen werden, wovon ein Teil gleich für den Rückstand abgebucht wird, der Rest wird für den momentanen Stromverbrauch verwendet. Wenn die Wertkarte leer ist, wird es finster! Für den Prepaymentzähler muss eine monatliche Miete bezahlt werden.

Nun wird Frau Muster mit der Nachzahlung an Sozialhilfemitteln die Stromschulden und die Schulden bei privaten Personen, die ihr geholfen haben, bezahlen. Dies alles hätte ihr erspart werden können, wenn die BH rasch gehandelt hätte.

Eine Verkürzung der Frist von 6 auf 2 Monate ist daher unbedingt notwendig.

30. Mai 2009