12. Februar 1934 - Die Vorgeschichte

Paula Wallisch berichtet

Paule Wallisch berichtet in ihrem Buch "Ein Held stirbt" über den Werdegang von Koloman Wallisch in der österreichischen Arbeiterbewegung.


Die Hochzeit der Paula Pinter im ungarischen Lugosch sollte prächtig werden. Sie war für den 5. August 1914 angesetzt. 20 Jahre später wurde der Bräutigam, Koloman Wallisch in Leoben hingerichtet.
Die Hochzeit konnte wegen des Beginns des Krieges nicht stattfinden, sie wurde ohne große Feier im Jahr 1915 nachgeholt.

Im Jahr 1935 erzählte Paula Wallisch ihre Erinnerungen im Buch: „Ein Held stirbt“, herausgegeben in der Illegalität in Prag.

Geboren wurden beide in in einer Zeit, als es in Europa keine Grenzen gab. Paula emigrierte als Kind mit ihren Eltern aus dem kärntnerischen Hüttenberg „hinunter“ ins steirische Marburg an der Frau. Als Arbeiter der Südbahnwerkstätte konnte sich ihr Vater dort ein kleines Haus erarbeiten.
Koloman Wallisch stammt aus bäuerlichen Verhältnissen, die Mutter war deutschsprachig, in der Schule wurde nur ungarisch gerlent. Im Arbeiterbildungsverein eignete sich hervorragende Deutschkenntnisse an.
Früh musste er als Maurerlehrling arbeiten. Die Suche nach Arbeit brachte ihn nach Wien, Dresden, Triest. In Triest bekam Wallisch die seit früher Jugend Kontakt zur Arbeiterbewegung hatte den Auftrag sich um die Kasse der dortigen Organisation zu kümmern.
Der Wehrdienst führte Wallisch zurück nach Ungarn er musste in Szeged ableisten, als Systemerhalter im Büro. In Szeged, 200 Kilometer von seinem Geburtsort Lugosch entfernt lernte er Paula kennen, die dort Arbeit als Kindermädchen gefunden hatte.
Den Krieg überlebte das Paar relativ sicher im „Hinterland”, dann kam das Jahr 1918 und die Spaltung der Nation in mehr oder weniger Autorität geführte Kleinstaaten. Die ungarische Sozialdemokratie war eher durch die Verhältnisse als durch den Willen die Macht zu ergreifen gezwungen die Führung des Landes zu übernehmen, erst mit den Liberalen, dann mit den Kommunisten. Paula Wallisch gibt Zeugnis von den Ereignissen nach der Niederlage der ungarischen Räterepublik im Jahr 1919. Wallischs Geburtsort, Lugosch, lag plötzlich in Rumänien, wegen seiner politischen Tätigkeit wurde er verfolgt. Paula beschreibt ihre abenteuerliche Flucht aus Szeged, die Massaker und Verfolgungen der Konterevolution.

Beiden gelingt die Flucht aus Ungarn, sie Treffen sich in ihrem Elternhaus in Maribor. Wallisch macht weiter: Die Arbeiterklasse organisieren. Aber der nationale Zwist der Arbeiter ist noch zu groß: Nach einem (misslungenen) Streik droht wieder Verhaftung durch die jugoslawische Staatsgewalt, schlimmer noch die Auslieferung nach Ungarn, wo die Todesstrafe droht.
Die Wallischs müssen wieder flüchten, über die neue innersteirische Grenze, die es nie zuvor gegeben hat.
Angekommen in Graz helfen die früheren Kontakte zur Sozialdemokratie um Fuß zu fassen. Die SPÖ stellt Wallisch an, für die Mitgliedsbeiträge aus denen er finanziert wird muss er aber selbst sorgen, vorerst in Fürstenfeld, wo er durch seine Rechtsberatung rasch Ansehen gewinnt. Allerdings erfahren auch ungarische Banden davon, die Grenze ist nicht weit, Wallisch ist in Fürstenfeld nicht sicher.

Nächster Zufluchtsort ist Bruck an der Mur. Paula Wallisch schreibt: In Bruck sind eine große Drahtstiftenfabrik, eine Holz­stoff- und Papierfabrik, in denen früher Hunderte von Arbeitern Beschäftigung fanden, und in der näheren und weiteren Umgeb­ung gibt es eine ganze Anzahl größerer und kleinerer Betriebe - das berühmte Böhlerwerk, in dem der bekannte Böhlerstahl erzeugt wird, dann die bekannten Werke von Donawitz. Das Klima ist rauh; auf den Feldern in der Nähe des gebietes gedeihen nur Kartoffeln und das übliche Hausgem­üse, Obst nur sehr wenig, weil es zu kalt ist, gibt es doch oft noch im Mai und bereits wieder im September Schnee. In einem solchen Gebiete mußten in der Kriegszeit die Lebensmittel noch viel rarer sein als anderwärts, dazu kam noch, daß während des Krieges in diesem Industriegebiet be­deutend mehr Menschen zusammengezogen worden waren als je zuvor. Und diese Menschen, schwer arbeitende Menschen die noch dazu unter der Geißel des Kriegsdienstleistungs­gesetzes stöhnten, litten Hunger. Schon in dem Jahre 1917 und erst recht im großen Hungerjahre 1918 gab es Hungerkrawalle, entfesselt von verzweifelten Frauen. Kein Wunder, daß diese Arbeiterschaft, als mit dem Zusammenbruch der Monarchie auch die schlimmsten Fesseln fielen, sehr radikalisiert war, dss sie revolutionärer war als das Proletariat anderer Gegenden.

In Bruck an der Mur gelang es Paula und Koloman Wallisch Fuß zu fassen. Paula schreibt: Ein wohldurchdachtes System sozialer Fürsorge wurde geschaffen, die Verköstigung der Leute im Altersheim, die bisher höchstens an Sonntagen ein Stück­chen Fleisch bekommen hatten, wurde verbessert und durch Einführung der Eigenwirtschaft zugleich verbilligt, die Krieger­witwen und -waisen wurden regelmäßig unterstützt, die wäh­rend des Krieges verwahrlosten, fast unpassierbaren Straßen wurden erneuert, die Straßenbeleuchtung wurde zu einer im Vergleich zur vorsozialdemokratischen Zeit feenhaften gemacht. Volkswohnhäuser wurden gebaut - kurz, es wurde sozialistische Aufbauarbeit geleistet.

Aber auch in Österreich wurde der Würgegriff der Gegner der Arbeiterbewegung stärker, in einem Prozeß musste sich Wallisch für die Ereignisse in Ungarn verantworten. Ende 1933 - nach Ausschaltung des Parlaments - wurde Wallisch Landesparteisekretär und das Ehepaar Wallisch zog nach Graz. Nur für wenige Wochen, dann kam der Aufstand des Februar 1934.

Für Ortskundige ist es interessant wie Paula Wallisch die Flucht der geschlagenen Februarkämpfer in die tief verschneiten Berge um Bruck beschreibt. Weiter ging die Flucht mit dem Auto bis Ardning bei Liezen. Man rutschte auf der schneeglatten Fahrbahn in den Graben. Der Fahrer des vorbeikommenden Bundesbahn-Busses half. Aber er erkannte Wallisch.
Paula Wallisch saß im Leobner Gericht ein, als man Koloman im Hof gehenkt wurde. Heute kann man an dieser Stelle im Leobner-City-Shopping gemütlich Kaffee trinken.

 

 

 

 

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Ein Held stirbt, von Paula Wallisch
pdf, 6.6M, 14-11-18

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Broschüre über Koloman Wallisch zum 50sten Jahrestag der Hinrichtug
pdf, 5.1M, 11-02-19

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9. März 2019