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Sozialraumorientierung: Hilfe nur für Privilegierte?

KPÖ-Braunersreuther: „Konzept muss neu beleuchtet werden“

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Nicht zuletzt durch die tragischen Vorfälle in den Jugend-WGs der Stadt Graz ist auch das Konzept der Sozialraumorientierung, dessen Pilotphase 2014 endet, erneut ins Gespräch gekommen.

Wissenschaftler der FH Kärnten (das Statement von Prof. Dr. Höllmüller ist online einsehbar) und der FH JOANNEUM Graz üben nun – berechtigterweise, findet KPÖ-Jugend- und Familiensprecherin Christine Braunersreuther – harsche Kritik an dem Modell und dessen positiver Darstellung nach der Evaluierung. Eine kritiklose Übernahme in den Regelbetrieb hält sie für verantwortungslos.

 

Hilfe zur Selbsthilfe greift zu kurz

Was oft vergessen wird, ist die Tatsache, dass das Konzept der Sozialraumorientierung voraussetzt, dass die Betroffenen den Willen nach konkreter Hilfe formulieren. Mehr Hilfe zur Selbsthilfe und bisher unerreichte Erfolgsergebnisse zur selbständigen Lebensführung nach Inanspruchnahme von Hilfsleistungen, das Ganze bei Einsparungen von 18,7 Prozent – wenn Vincent Richard vom Institut Viasozial, welches mit der Evaluierung beauftragt war, diese Ergebnisse präsentiert, dann klingt oft nur toll.

Das Problem: Nur Menschen, die bereits selbst soweit sind, dass sie den Willen zur Verbesserung ihrer Situation aufbringen, bekommen diese Hilfe – die dann logischerweise meist recht wirkungsvoll ist. Menschen, die – zum Teil aus Traumata heraus – nicht in der Lage sind, ihre Hilfsbedürftigkeit zu formulieren, gehen leer aus. Wichtige Präventivmaßnahmen, wie etwa TäterInnenarbeit, die gerade bei sexuellem Mißbrauch nachhaltig wirksam und wichtig ist, kommen so auch nicht zustande. „Somit wurde real die Zugangsschwelle zu Hilfen erhöht mit dem Ergebnis, dass die Inanspruchnahme zwischen 2009 und 2012 um 67 Prozent gesunken ist“, so die Jugendsprecherin. Prof. Höllmüller, Professor für soziale Arbeit der FH Kärnten, beurteilt die Sozialraumorientierung daher als „neoliberales Einsparungsmodell, das uns als fachliche Innovation verkauft wird“.

 

Ums Einsparen geht's.

Ähnlich sieht das, wie die Wochenzeitung Der Falter berichtet, Klaus Posch, Leiter des Studiengangs für Soziale Arbeit an der FH JOANNEUM Graz. Sein Institut war ursprünglich mit der Evaluierung betraut, jedoch wurde der Vertrag von Stadt und Land wegen angeblich unvereinbarer Auffassungen über den Evaulationsgegenstand und die Art der Evaluierung wieder gelöst. Posch vermutet jedoch eher Angst vor dem Sichtbarwerden unerwünschter Nebenwirkungen – denn statt von ihm wurde das Konzept mit Vincent Richard von einem Fürsprecher der Sozialraumorientierung, der bereits mit dessen Erfinder Wolfgang Hinte publiziert hat. „Dass die Kompetenz renommierter, unabhängiger Sozialforscher in Frage gestellt wird, die noch dazu die Region gut kennen, um dann einem privaten Institut aus dem Ausland den Auftrag zu erteilen, ist äußerst fragwürdig“, meint Braunersreuther. „Ebenso wie die Praxis des Jugendamtes, bezahlte Beiträge in Fachmagazinen zu schalten und sich danach mit dem Medienecho in Fachkreisen zu brüsten!“

 

Nicht vergessen werden darf, dass die Sozialraumorientierung ein Teil der Verwaltungsreform der Stadt ist, deren maßgebliches Ziel das Sparen ist. „Wir sind nicht generell gegen Einsparungen – aber wenn am Dienst am Menschen gespart wird, dann ist das der falsche Weg“, so KPÖ-Jugend-und Familiensprecherin Christine Braunersreuther dazu.

24. April 2014