Der Euro und der Krieg

Schlechtes Zeugnis für Währung

Prügel von Bruegel. Die aktuelle Studie eines Brüsseler Think Tanks stellt der EU-Währung ein miserables Zeugnis aus. Handel in der Euro-Zone wurde nicht angekurbelt

Von Rainer Rupp, Aus der Jungen Welt

Von Rainer Rupp, Aus der Jungen Welt

Eine neue Untersuchung zeigt, daß die Einführung des Euro keine positive Auswirkung auf die Ausweitung des Handels zwischen den Mitgliedsländern der Eurozone gehabt hat. Damit bleiben nur noch die negativen Effekte dieses Experiments der politischen EU-»Eliten«, die mit der gemeinsamen Währung eine politische Union Europas trotz der überall sichtbaren katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Folgen erzwingen wollen.

Die Eurokrise ist zwar in den letzten 18 Monaten aus den Schlagzeilen verschwunden, aber die Probleme, die zu ihr geführt haben, sind nicht behoben. Im Gegenteil. Die Staatsverschuldung der EU-Mitgliedsländer ist weiter gestiegen, die Bankenkonzerne sind marode wie eh und je, und im Vertrauen darauf, daß ihnen wegen ihrer »Systemrelevanz« nichts passieren kann, zocken sie fleißig weiter, wofür sie von den Notenbanken praktisch zinslos Geld bekommen. Letzteres hat zu einer von der wirtschaftlichen Realität total abgehobenen Blasenentwicklung bei Vermögenswerten wie Immobilien und Aktien geführt. Profitiert haben davon nur die Reichen. In der Realwirtschaft ist von der Geldschwemme der Zentralbanken nichts angekommen. Der von Jahr zu Jahr neu versprochene Wirtschaftsaufschwung ist ausgeblieben. Die Arbeitslosenzahlen in den EU-Ländern verharren auf Rekordhöhen, während die Löhne, Gehälter und Sozialleistungen für die Masse der Bevölkerung besonders stark gekürzt wurden. Und jetzt droht der gesamten EU als Ganzes sogar die Deflation.

Der Euro hat maßgeblich zur Verschärfung der Krise beigetragen, so daß heute fast 200 Millionen EU-Bürger­ unter prekären Lebensbedingun­gen leiden. Immer mehr Menschen in den besonders betroffenen Ländern sehen eine Zukunft für sich und ihre Kinder nur in einem Befreiungsschlag: Austritt aus der Eurozone und Verabschiedung von der sozialen Verarmungspolitik, die Europa von Berlin aufgezwungen wird. Von dieser profitieren fast überall nur rechtsnationale Parteien. Was dennoch viele Menschen bisher von einer Ablehnung des Euro abgehalten hat, war der Glaube an das staatlich verordnete Dogma, daß die gemeinsame Währung durch die »freien Märkte« und die Ausweitung des Handels innerhalb der EU letztlich doch noch Wohlstand bringen wird. Genau dieses Dogma ist nun durch eine Studie der in Brüssel ansässigen, auf europäische Wirtschaftsfragen spezialisierten Denkfabrik Bruegel als heiße Luft entlarvt worden.

Laut Bruegel zeigen die Exportstatistiken der EU-Länder, daß der Anteil des innereuropäischen Handels am Gesamtexport der jeweiligen Mitgliedsländer in den letzten zehn Jahren einen beschleunigten Rückgang erfahren hat. Heute liegt der Anteil des Handels innerhalb der EU sogar weit unter dem Niveau vor der Einführung des Euro. Ausgerechnet in der Zeit ohne Euro, nämlich von 1980 bis 1995, hatte genau dieser Anteil am EU-Gesamtexport um insgesamt acht Prozentpunkte zugelegt, um dann bis Ende 2000 zu stagnieren. Dann folgte mit der Euro-Einführung der Abwärtskurs, der in den letzten vier Jahren besonders deutlich ausfiel. Das deutet laut Bruegel darauf hin, daß trotz der Einführung des Euro globale Handelspartner im Verhältnis zu den anderen Ländern der Euro-Zone »immer wichtiger« geworden sind. Zugleich zeigen die Daten, daß »die Eurozone fast genau das gleiche Entwicklungsmuster der Exporte zeigt wie die Europäische Union als Ganzes«. Das lege nahe, »daß die gemeinsame Währung nicht die erwarteten (positiven) Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedern der Euro-Zone gehabt hat«, folgert Bruegel.

Die von Bruegel präsentierte, höchst unbequeme Wahrheit über den Euro kann diesmal nicht als Hirngespinst von Nationalisten oder Neofaschistischen abgetan werden. Schließlich setzt sich der Bruegel-Vorstand aus verdienten Mitgliedern des finanzpolitischen Establishments der EU-Staaten zusammen, Vorstandsvorsitzender ist z.B. Jean-Claude Trichet, von 2003 bis 2011 Chef der Europäischen Zentralbank.

Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, daß der Euro nicht zu mehr Arbeitsplätzen und Wohlstand beigetragen hat, wird dann die Bevölkerung der EU-Länder weiterhin bereit sein, schmerzhafte Opfer zum Erhalt der gemeinsamen Währung zu bringen? Und wozu soll dann weiterhin nationale Souveränität an Brüssel abgetreten werden, und warum sollen wichtige gesellschaftspolitische Entscheidungen den demokratisch nicht legitimierten EU-»Eliten« überlassen werden? Das Fazit der Bruegel-Studie könnte also zum Todesstoß für den dahinsiechenden Euro werden, dessen Erhalt nur der Mehrung der Konzernprofite und den weltpolitischen Ambitionen der EU-»Eliten« dient.

Veröffentlicht: 8. September 2014